Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Der Einsatz von Ballontechnik und Stents wird auch bei Gefässverengungen und -verschlüssen in den Beinen und Füssen immer wichtiger. Diese minimalinvasive Technik ist sehr schonend, was auch die Behandlung immer älterer Patienten mit schweren Begleiterkrankungen erlaubt.

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Abb. 1
Der beschichtete Ballon gibt Medikamentenpartikel ab, die überschiessende Zellwucherungen unterdrücken. Blau: Die das Gefäss verengenden Ablagerungen werden bei der Rekanalisation an die Gefässwand gedrückt.

3 bis 6 % der über 60-Jährigen leiden an arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine, auch PAVK genannt, die sich als zeitweiliges Hinken bemerkbar machen. Umgangssprachlich wird häufig von «Schaufensterkrankheit» gesprochen. Die zugrunde liegende Krankheit ist fast ausschliesslich die Arteriosklerose, welche oft auch die Aorta und die Arterien von Herz, Hirn, Nieren oder inneren Organen befällt. Das Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor, daneben spielen der Bluthochdruck, die Zuckerkrankheit, hohe Blutfettwerte, fortgeschrittene Nierenerkrankungen und das hohe Alter eine wichtige Rolle.

Die PAVK ist gekennzeichnet durch Verengungen oder Verschlüsse der Becken- und Beinarterien. Sie führt zu belastungsabhängigen Schmerzen in den Beinen, die zum Anhalten zwingen können, beim Stehenbleiben aber rasch abklingen. Gehstrecken, und damit die Lebensqualität, werden erheblich eingeschränkt. In diesem Stadium der Erkrankung kommt der medikamentösen Behandlung der Risikofaktoren, einem Rauchstopp und regelmässiger körperlicher Aktivität (Gehtraining) eine grosse Bedeutung zu.

Oberstes Ziel: die Verbesserung der Durchblutung

Bei stärkerer Einschränkung der Gehfähigkeit oder fehlendem Erfolg des Gehtrainings kommen kathetertechnische oder gefässchirurgische Eingriffe zum Einsatz. Gelegentlich sind auch kombinierte Verfahren von Vorteil. Eine sinnvolle Ergänzung und Kombination kathetertechnischer und chirurgischer Revaskularisationsmethoden bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen Angiologen und Gefässchirurgen.

Wenn die Durchblutung so schwerwiegend gestört ist, dass sie unter Ruhebedingungen nicht mehr ausreicht und heftige Schmerzen verursacht, oder wenn bereits Gewebsdefekte aufgetreten sind, droht die Amputation der betroffenen Gliedmassen. In diesen Stadien ist eine Wiederherstellung der Durchblutung mit sämtlichen verfügbaren Mitteln zwingend notwendig. Die Wahl des geeigneten Verfahrens erfolgt in Abhängigkeit von Lokalisation, Ausdehnung und Dauer der Gefässverschlüsse, Erfolgschancen und Risiken des jeweiligen Eingriffes sowie unter Berücksichtigung des Patientenwunsches.

Mit oder ohne Stent: Standard bei kurzen Verschlüssen

Als kathetertechnisches Verfahren steht die Ballonangioplastie (PTA) mit und ohne Stenteinlage, eventuell kombiniert mit einer lokalen medikamentösen Auflösung und Absaugen von Blutgerinnseln, zur Verfügung. Sie ist heute das Therapieverfahren der ersten Wahl bei kurz- bis mittelstreckigen (ca. 5 bis 15 cm langen) Arterienverengungen/-verschlüssen. Wird eine PTA allein durchgeführt, kommt es häufig zu Rezidiven – bis zu 50 % innerhalb eines Jahres, abhängig von Länge und Lokalisation des Verschlusses. Diesen begegnet man mit Stenteinlagen ins Gefäss oder mit medikamentenbeschichteten Ballonen (Abb. 1). Seit Stents und Ballone mit speziellen Substanzen beschichtet werden, haben sich die Offenheitsraten nochmals verbessert (ca. 70 % offen nach drei Jahren) und sind mit denen chirurgischer Rekonstruktionen vergleichbar. Die Substanzen unterdrücken die Zellwucherungen, die nach einer Angioplastie als Folge von Narbenbildungen in der Gefässwand auftreten und Hauptgrund für Rezidive sind.

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Abb. 2
Subintimale Rekanalisation mit Stenteinlage: Bei massiver Verkalkung wird der Stent zwischen den Gefässwandschichten platziert.

Neue Techniken mit guten Ergebnissen

Die endovaskuläre Wiedereröffnung stark verkalkter Verschlüsse – unabhängig von deren Länge – ist teilweise äusserst schwierig, da es häufig nicht gelingt, den Draht durch den Pfropf zu führen, sodass auf den Raum zwischen den Gefässwandschichten ausgewichen werden muss. Diese Technik der subintimalen Rekanalisation bedingt einen herausfordernden Wiedereintritt ins Gefäss unterhalb des Verschlusses (Abb. 2). Mit neuen Kathetern, sogenannten Reentrykathetern, die eine gebogene Hohlnadel ins Gefässinnere vorschieben, gelingt das Einfädeln leichter. Entscheidend ist dabei, das «gesunde» Gefäss unterhalb eines Verschlusses nicht zu schädigen, um bei Bedarf eine Bypassoperation durchführen zu können. Dank neuer Stentdesigns, die einem höheren Druck standhalten, konnte die Offenheitsrate in letzter Zeit auch in diesen Fällen wesentlich verbessert werden.

Bei langen Gefässverschlüssen ist bis heute die chirurgische Bypassoperation nach wie vor Goldstandard. Erste Studien (J. Endovasc Ther. 2011, Oct.; 18(5):613–23) zeigen nun auch für die Behandlung längerer Verschlüsse mit neuen medikamentenbeschichteten Stents und Ballonkathetern vielversprechende Resultate. In ausgewählten Fällen, insbesondere bei Patienten mit hohem Operationsrisiko, kann daher ein kathetertechnischer Rekanalisationsversuch eine Alternative zur Bypassoperation darstellen.

Diabetischer Fuss

In den letzten Jahren wurden die vielleicht grössten Fortschritte in der endovaskulären Revaskularisation von Unterschenkel- und Fussarterien erzielt. Diabetiker sind typischerweise von einem Unterschenkelarterienbefall betroffen. Die Zuckerkrankheit greift neben Gefässen auch Nerven an und hemmt die Wundheilung; es drohen Fussinfekte und im schlimmsten Fall Amputationen. Bei einer diabetischen Gewebeveränderung am Fuss sollte daher frühzeitig ein Gefässspezialist hinzugezogen werden. Ziel ist es, die Durchblutung bestmöglich zu verbessern, um dadurch die Wundheilungschancen zu erhöhen. Dank Ballonen mit sehr dünnem Profil und feineren Drähten lassen sich heute teils auch langstreckige und feine Verschlüsse in den Unterschenkeln und Füssen, die bis vor Kurzem als kaum behandelbar galten, wieder eröffnen. Auch wenn die Verschlüsse in den meisten Fällen nicht dauerhaft offen bleiben, können die Wunden in vielen Fällen abheilen. Für eine optimale Nachversorgung des diabetischen Fusssyndroms ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und verschiedenen Spezialisten entscheidend.

Interview mit Dr. med. Gilles Sauvant

Wie weit können Sie mit dem Ballonkatheter in Gefässe vordringen?
Das Gefässsystem gleicht einem Baum. Je weiter weg sie vom Stamm sind, um so feiner werden die Äste und Zweige. Heute sind wir dank den neusten Entwicklungen in der Lage, nicht nur die grossen Arterien, wie zum Beispiel die Bauchschlagader mit einem Durchmesser von 1,5 bis 2 Zentimetern oder die Beckenarterie mit einem Durchmesser von 0,6 bis 1 Zentimeter, zu behandeln, sondern auch Gefässe in den Füssen mit einem Durchmesser von lediglich 1 bis 2 Millimetern.

Werden Venen und Arterien eröffnet?
Momentan werden primär Arterien eröffnet, Venen eher selten. Ich gehe aber davon aus, dass in Zukunft auch vermehrt Becken- und Beinvenen eröffnet werden, da die Entwicklung rasant voranschreitet.

Gibt es einen Unterschied zum Vorgehen beim Herz?
Das Verfahren des Kathetereingriffs und die Vorgehensweise sind ähnlich. Der grosse Unterschied ist, dass das Herz schlägt, während das Bein stillliegt. Und die zu eröffnenden Strecken können beim Bein wesentlich länger sein als beim Herz. In der Regel haben wir im Gegensatz zu den Kardiologen selten Notfalloperationen, sondern im Voraus gut planbare Eingriffe. Frühzeitig eingreifen sollte man jedoch bei Gewebedefekten am Fuss. Ähnlich wie am Herz, wo man sagt «Time is Muscle», gilt analog beim Fuss «Time is Tissue», also Gewebeerhalt.

Wann erfolgt eine Gefässeröffnung mit dem Ballon, und wie sind die Resultate?
Dies hängt hauptsächlich vom Beschwerdebild, von der Lokalisation, von der Länge der Läsion (Gewebeschädigung), vom Alter und von den Begleiterkrankungen des Patienten ab. Vereinfacht darf man sagen, dass die Resultate um so besser sind, je kürzer die zu eröffnende Stelle und je grösser das Gefäss ist. Bei den Beckenarterien sind die Langzeitresultate besser als bei den Ober- oder Unterschenkelarterien.

In welchen Fällen wird eine Operation vorgezogen?
Bei langen Verschlüssen der Becken- oder Oberschenkelarterien, bei Gefässverschlüssen, welche die Leistenarterien mitbefallen haben, oder bei langen Verschlüssen der Kniearterien, welche die Unterschenkelarterien miteinbeziehen, wird in der Regel die Bypassoperation bevorzugt. Auch in Situationen fortgeschrittener Durchblutungsstörungen mit Bedrohung der Gliedmasse, in denen es nicht gelingt, mit Kathetertechnik einen Verschluss wieder zu eröffnen, folgt eine Bypassoperation.

Wann sind kombinierte Verfahren angezeigt?
Eine typische Situation für ein kombiniertes Vorgehen ist folgende: eine starke Verkalkung in der Gabelung der Leistenarterie mit gleichzeitiger Gefässverengung in der Beckenarterie. In der Leiste, speziell an der Gefässgabelung, möchte man wenn möglich einen Stent vermeiden, weil die Leistenarterie ständigen Beugekräften ausgesetzt ist, z. B. im Sitzen, die den Stent gefährden können. Ein kleiner chirurgischer Eingriff, eine sogenannte Endarteriektomie – die Gefässwandverkalkungen werden wie beim Schälen einer Orange ausgeschält, das Gefäss gesäubert und mit einem «Hosenflick» übernäht und aufgeweitet – erzielt ausgezeichnete Langzeitresultate und ist das Verfahren der ersten Wahl. Gleichzeitig oder zu einem späteren Zeitpunkt kann die vorgeschaltete Verengung der Beckenarterie mit einem Ballon aufgedehnt werden.

Wann wird entschieden, ob ein Stent eingesetzt wird?
Das wird während des Eingriffs getan. Die ganze Behandlung erfolgt unter Röntgenkontrolle. Zeigt das Kontrollbild nach Eröffnung, dass das Gefäss stabil ist, benötigt es vorerst keinen Stent. Wenn es trotzdem zu einem Rezidiv kommt, kann man einen Balloneingriff – fast beliebig oft – wiederholen. Falls das Gefäss aber in sich zusammenfällt oder die innerste der drei Gefässschichten einreisst und den Blutfluss behindert – das sieht etwa so aus, wie wenn ein Segel ins Gefäss schwappen würde –, wird ein Stent eingesetzt. Bei sehr langen Verschlussstrecken mit stark verkalkten Plaques werden meistens Stents verwendet, da die Resultate im Langzeitverlauf besser sind.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Verschlusses?
Das ist das Schwierige: Es gibt kein sicheres Kriterium, das voraussagt, wann ein Gefäss offen bleibt oder wieder zugeht. Man geht davon aus, dass die Zellwucherung, also die Narbenbildung an den Gefässinnenwänden, der Hauptfaktor für Rezidive ist. Und diese Neigung zur Zellwucherung ist individuell verschieden.

Haben sich die Aussichten für Diabetiker mit den neuen Verfahren verbessert?
Das diabetische Fusssyndrom ist äusserst komplex, meist multikausal und hängt nicht allein von der gestörten Durchblutung ab. Was man sagen darf, ist, dass sich zur Verbesserung der Durchblutung des Fusses heute teilweise sehr feine Gefässe angehen lassen und dadurch offene Wunden besser abheilen können. Dies ist im kurzen Zeitverlauf bereits ein grosser Erfolg. Zu einem längeren Zeitverlauf, insbesondere zur Frage der Rezidive, gibt es bis heute allerdings kaum Studien.

Besten Dank für das Gespräch.

Ärzte 1

Facharzt für: Angiologie (Gefässmedizin) , Allgemeine Innere Medizin