Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Bei der Diagnose der Gicht und ihrer Abgrenzung von anderen Erkrankungen erweist sich die Bildgebung im Praxisalltag als sehr hilfreich. In Ergänzung zur Patientenbefragung und klinischen Untersuchung kommt sie dann zum Einsatz, wenn keine Gelenkflüssigkeit gewonnen und untersucht werden kann. Besonders aussagekräftig ist die moderne Dual-Energy-Computertomographie. Ist die Diagnose gesichert, beruht die akute und langfristige Behandlung auf verschiedenen Medikamenten und – nicht minder wichtig – einer Anpassung von Lebensgewohnheiten.

Bei der Gicht kommt es durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen zu akuten und chronischen Entzündungen in Gelenken und Weichteilen. Durch die Kristallablagerungen können Gelenke dauerhaft geschädigt werden. Von der Gicht betroffen sind meistens Männer zwischen 40 und 50 Jahren, aber auch Frauen nach der Menopause. Vor der Menopause sind sie durch weibliche Hormone geschützt. Die Harnsäure wird beim Abbau bestimmter Bausteine der Erbsubstanz gebildet und normalerweise über die Nieren ausgeschieden. Diese Bausteine heissen «Purine». Sie kommen einerseits in unserem Körper vor, andererseits nehmen wir sie mit der Nahrung auf. Wenn zu wenig Harnsäure ausgeschieden wird oder zu viele Purine vorhanden sind (aus der Nahrung, aber auch bei bestimmten Krankheiten), steigt der Harnsäurespiegel an. Die Harnsäureablagerungen entstehen, wenn der Harnsäurespiegel im Blut über längere Zeit einen Schwellenwert (360 mol/l) überschreitet. Eine Ansammlung von Harnsäurekristallen nennt man «Tophus» und äussert sich oft als knotige Verdickung innerhalb oder in der Nähe eines Gelenks. Meistens bleiben Patienten trotz erhöhter Harnsäure im Blut über längere Zeit beschwerdefrei. Auslöser wie purinreiches Essen (z.B. Bier, fructosehaltige Säfte, Fleisch, Meeresfrüchte), akute Erkrankungen, Fasten, Stress und auch bestimmte Medikamente können einen akuten Gichtschub hervorrufen.

Klinisches Bild

Beim akuten Gichtanfall ist meistens das Grosszehengrundgelenk betroffen, da dieses etwas kühler als der Rest des Körpers ist. Daher lagern sich dort bevorzugt Harnsäurekristalle ab. Aber auch andere Gelenke können betroffen sein. Beim Gichtschub schmerzen diese plötzlich extrem stark und sind meistens glänzend rot geschwollen. Oft ist lokaler Druck, wie z.B. durch Schuhe oder die Bettdecke, kaum auszuhalten. Neben den Gelenken, Sehnen und Schleimbeuteln können aber auch in anderen Regionen wie der Wirbelsäule Harnsäureablagerungen auftreten. Im Falle eines Schubes kann dies zu einer starken Entzündung im ganzen Körper mit Fieber führen. Bei einer schweren Gicht können sich die Kristalle auch in den Nieren ablagern und im Verlauf zu einer Störung der Nierenfunktion führen.

Diagnose

Neben der ärztlichen Befragung und klinischen Untersuchung benötigt man für die Diagnose den exakten Nachweis von Harnsäurekristallen. Nur so kann man die Gicht von anderen Kristallerkrankungen abgrenzen, z.B. von der Kalziumkristall-Ablagerungserkrankung («falsche» Gicht) und der Hydroxylapatit-Ablagerungserkrankung. Der Harnsäurenachweis gelingt entweder aus der Untersuchung der Gelenkflüssigkeit (Punktat) unter dem Polarisationsmikroskop oder, wenn keine Flüssigkeit gewonnen werden kann, mittels Dual-Energy Computertomographie.

Bildgebung

Die Dual-Energy-Technologie ist eine relativ neuartige Entwicklung und wurde erst im Jahr 2005 vorgestellt. Die Klinik Im Park ist bereits mit der 2. Generation der Dual-Energy-Computertomographen, dem Siemens Somatom Definition Flash, ausgestattet (vgl. Abb. 1). Im Gegensatz zu herkömmlichen Computertomographen sind bei der Dual-Energy-Technologie zwei statt nur einem Röntgenstrahler verbaut. So können Röntgenstrahlen mit einem unterschiedlichen Energieniveau erzeugt werden. Da das menschliche Gewebe ein unterschiedliches Absorptionsspektrum in Abhängigkeit von der Strahlenenergie aufweist, kann mit der Dual-Energy-Technologie eine bessere Gewebedifferenzierung erzielt werden. Besonders eindrucksvoll ist dies beim Nachweis von Harnsäurekristallen im Rahmen einer Gichterkrankung. Die Harnsäurekristalle können dabei im Gelenk selbst, aber auch in den angrenzenden Weichteilenmit einer sehr hohen Sensitivität und Spezifität direkt nachgewiesen werden (vgl. Abb. 2). Neben der verbesserten Diagnose von Gichterkrankungen bietet die Dual-Energy-Technologie auch bei anderen Krankheitsbildern Vorteile, z.B. bei der Differenzierung von Harnleitersteinen oder bei der effizienten Abbildung des Herzens und der Herzkrankgefässe.

Abb. 1
Dual-Energy-Computertomograph der zweiten Generation in der Klinik Im Park. Durch die Verwendung von zwei Röntgenstrahlern mit unterschiedlichen Energieniveaus gelingt eine bessere Gewebedifferenzierung.
Abb. 2
Darstellung der Harnsäurekristalle in der Dual-Energy-CT (jeweils 3D-Oberflächenrekonstruktion und Aufsicht von oben): typischer Gichtbefall mit Ablagerungen von Harnsäurekristallen im linken Grosszehengrundgelenk (links) und ausgeprägte Ablagerungen von Harnsäurekristallen im Weichgewebe im rechten Vorfuss bei einem anderen Patienten mit Gichtbefall des Fusses (rechts). Die Harnsäurekristalle (Pfeile) sind deutlich an der grünen Farbkodierung zu erkennen.

Therapie

Beim akuten Gichtschub ist die schnellste und wirksamste Methode, das entzündete Gelenk gezielt – z.B. ultraschallgesteuert – mit Kortison und einem Lokalanästhetikum (örtliche Betäubung) zu infiltrieren. Dies bewirkt einen schnellen Rückgang der Entzündung und der Schmerzen. Alternativ kann eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Behandlung mit Tabletten erfolgen. Zum Einsatz kommen nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und Kortison. Colchicin (aus den Samen der Herbstzeitlose gewonnen) kann auch eingesetzt werden – der behandelnde Arzt muss dieses aber korrekt dosieren, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Bei schweren und häufigen Gichtschüben kann neuerdings ein modernes Medikament mit ausgezeichneter Wirkung und sehr gutem Nebenwirkungsprofil eingesetzt werden (Wirkstoff: Anakinra). Da dieses Medikament aber in der Schweiz nicht offiziell zugelassen ist, kann die Kostenübernahme durch die Krankenkassen schwierig sein.

Um zukünftige Gichtschübe zu vermeiden und die Kristalldepots im Körper wieder abzubauen, ist eine harnsäuresenkende Therapie nötig (Wirkstoffe: Allopurinol oder Febuxostat). Diese Medikamente müssen schrittweise aufdosiert und streng regelmässig eingenommen werden, da häufige Schwankungen des Harnsäurespiegels neue Gichtschübe auslösen können. Die Harnsäurewerte im Blut müssen regelmässig kontrolliert werden, und der Wert muss dauerhaft < 360 μmol/l eingestellt sein. Neben der medikamentösen Therapie ist es wichtig, dass der Patient über seine Erkrankung gut aufgeklärt ist und deren Zusammenhänge versteht. Mit das Wichtigste ist eine Anpassung des Lebensstils: Reduktion stark purinhaltiger Nahrungsmittel und Getränke, Gewichtsabnahme und im Falle von «gichtfördernden» Medikamenten gegen andere Krankheiten möglichst die Umstellung auf Medikamente, die keine Gicht begünstigen. Kaffee und Vitamin C begünstigen ebenfalls die Harnsäureausscheidung und wirken sich günstig auf den Krankheitsverlauf aus.

Geschrieben von:

Facharzt für: Rheumatologie , Allgemeine Innere Medizin

Glossar

Computertomographie (CT):

bildgebendes Verfahren, bei dem eine bestimmte Region des Körpers Schicht für Schicht (Querschnittsbilder) mithilfe von Röntgenstrahlen sichtbar gemacht wird


Hydroxylapatit:

Mineral, aus dem Knochen und Zähne zu einem grossen Prozentsatz bestehen


Nicht-Steroidale Antirheumatika (NSAR):

schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente, die im Unterschied zu den steroidalen Antirheumatika kein Kortison enthalten