Im Leistungssport ist Training alles – oder? Nicht ganz, sagt Physiotherapeut Lukas Lange, der seit Jahren mit jungen und erfahrenen Skirennfahrer*innen arbeitet. Im Gespräch erklärt er, warum Regeneration mindestens so wichtig ist wie das Training selbst, welche Signale auf Überlastung hindeuten – und wie Schlaf, Ernährung, aktive Erholung und mentale Pausen langfristig den Unterschied machen.
Lukas, warum ist gerade für junge Athlet*innen Regeneration nach dem Training oder Wettkampf so entscheidend – besonders, wenn der Körper noch im Wachstum ist?
Regeneration ist ein zentraler Bestandteil des gesamten Trainingsprozesses. Ohne ausreichende Erholung macht man keine guten Fortschritte – gerade bei jungen Athlet*innen ist das extrem wichtig. Der Körper befindet sich im Wachstum: Knochen, Muskeln und Sehnen entwickeln sich weiter, und dieser Prozess passiert vor allem in Ruhephasen und im Schlaf. Deshalb ist Regeneration gleich wichtig wie das Training selbst – wenn nicht sogar wichtiger. Zu wenig Erholung kann zu Überlastungen oder sogar Wachstumsstörungen führen. Nur wer richtig regeneriert, kann langfristig Leistung aufbauen und gesund bleiben.
Welche einfachen Massnahmen helfen direkt nach einem Wettkampf, um sich schneller zu erholen?
Sehr wichtig ist die aktive Erholung – also leichtes Auslaufen oder lockeres Fahren auf dem Rennvelo oder Hometrainer. Das fördert die Durchblutung, was das zentrale Ziel ist. Auch Eisbäder oder Wechselduschen sind hilfreich, weil sie Entzündungsprozesse nach einer Belastung reduzieren. Wer die Möglichkeit hat, kann zusätzlich Faszienrollen oder Kompressionstherapie nutzen – das unterstützt den Abtransport von Stoffwechselprodukten und bringt neue, nährstoffreiche Flüssigkeit in die Muskulatur. Und natürlich spielt auch die Ernährung eine entscheidende Rolle: In den ersten ein bis zwei Stunden nach der Belastung – dem sogenannten „metabolischen Fenster“ – sollte man auf eine eiweissreiche Mahlzeit und genügend Flüssigkeit achten. Am wichtigsten bleibt aber der Schlaf – er ist die effektivste Form der Regeneration.
Wie merkt man, dass der Körper überlastet ist – und worauf sollten junge Sportler*innen besonders achten, wenn sich Muskeln und Gelenke noch entwickeln?
Typische Warnzeichen sind konstante Müdigkeit, Schlafstörungen, Leistungsabfall oder Schmerzen. Wenn zwei oder mehr dieser Symptome auftreten, ist das ein klares Zeichen, dass etwas nicht stimmt – und man sollte unbedingt mit Trainer*in, Ärztin/Arzt oder Physiotherapeut*in sprechen. Während des Wachstums sind Muskeln, Sehnenansätze und Gelenke besonders empfindlich. Wer zu wenig Pausen einplant, riskiert Überlastungen. Deshalb gilt: Qualität vor Quantität. Gerade im Nachwuchsbereich ist kontrolliertes Training wichtiger als endlose Trainingsstunden.
Welche typischen Beschwerden oder Verletzungen treten im Nachwuchs-Schneesport häufig auf, und wie kann man sie frühzeitig verhindern?
Im Skisport sind Knieprobleme sehr verbreitet, vor allem im Bereich der Patellasehne. Oft treten auch muskuläre Dysbalancen zwischen der Vorder- und Rückseite der Oberschenkel auf oder Rückenbeschwerden, weil sich die Wirbelsäule im Wachstum befindet und die typische Haltung beim Skifahren nicht der natürlichen Körperposition entspricht. Manche junge Athlet*innen entwickeln zudem Morbus Osgood-Schlatter, eine schmerzhafte Reizung der Wachstumsfuge am oberen Schienbein. Ursache ist meist Überlastung. Auch Fehlstellungen – etwa X-Beine – können während der Wachstumsphase vorkommen. Vorbeugen kann man durch gezieltes, gut geplantes Training mit Fokus auf Stabilisation, Rumpfkraft, Koordination und Beweglichkeit. Und durch offene Kommunikation zwischen Coach, Ärztin/Arzt und Physiotherapeut*in. Und dann gibt es noch eine andere Art von Verletzungen: Vor kurzem hat sich eine junge Athletin in Zermatt mit dem eigenen Ski am Oberschenkel geschnitten. Hier kann schnittfeste Unterwäsche vorbeugen. Insgesamt spielt also auch die Ausrüstung eine zentrale Rolle bei der Vermeidung von Verletzungen.
Was sind gute, altersgerechte Übungen oder Routinen, um in der Zwischensaison Kraft aufzubauen, ohne die Gelenke zu stark zu belasten?
In der Wachstumsphase ist Training mit dem eigenen Körpergewicht ideal: Planks, Kniebeugen, Ausfallschritte, Gleichgewichts- und Koordinationsübungen. Das stärkt die tiefe Muskulatur, ohne die Gelenke zu stark zu belasten. Wenn die körperliche Entwicklung es zulässt, können auch kleine Zusatzgewichte verwendet werden – aber immer mit Fokus auf Technik, Beweglichkeit und Stabilität, nicht auf maximale Kraft.
Wie können Ernährung und Schlaf dabei helfen, das Wachstum zu unterstützen und gleichzeitig optimal zu regenerieren?
Ernährung und Schlaf sind die Grundlage jeder Regeneration. Wichtig sind ausgewogene Mahlzeiten mit genügend Eiweiss, Vitaminen, Mineralstoffen und ausreichend Flüssigkeit. Ebenso wichtig ist Regelmässigkeit – feste Routinen helfen enorm. Während des Schlafs werden Wachstumshormone ausgeschüttet, die nicht nur das Wachstum, sondern auch die Regeneration und das Immunsystem fördern. Power Naps nach dem Training können zusätzlich helfen. Entscheidend ist das richtige Timing: Ernährung, Training und Schlaf sollten aufeinander abgestimmt sein. Hier kann ein*e Ernährungsberater*in helfen.
Junge Athlet*innen stehen oft unter Druck – Schule, Training, Wettkämpfe. Wie können sie den Kopf zwischendurch bewusst abschalten, um langfristig motiviert zu bleiben?
Der mentale Faktor wird oft unterschätzt. Auch junge Sportler*innen brauchen bewusste Pausen – kurze Spaziergänge, Musik hören, Freundinnen und Freunde treffen. Einfache Atemübungen oder kurze Achtsamkeitsmomente helfen, den Kopf zu leeren. Es gibt gute Apps, die das anleiten. Und: Eine Pause von den sozialen Medien kann Wunder wirken. Wer lernt, auch mental abzuschalten, bleibt langfristig motiviert.
Welchen Tipp würdest du jungen Athlet*innen geben, damit sie ihren Körper früh richtig kennenlernen und gesund durchs Wachstum in die Elitejahre kommen?
Entwickelt ein Gefühl für euren Körper und nehmt seine Signale ernst. Habt Geduld – eine gesunde, erfolgreiche Karriere entsteht über Jahre, nicht über Wochen. Baut euch eine gute Routine auf: Training, Regeneration, Ernährung, Schlaf – alles gehört zusammen. Und nutzt die Erfahrung eurer Coaches, Physiotherapeut*innen und die der erfahrenen Athlet*innen. Zusammen ist es viel einfacher als allein.
Passion Schneesport
Als Medical Partner der Stiftung Passion Schneesport und Swiss-Ski engagiert sich Hirslanden für die Gesundheit und Betreuung junger Nachwuchsathletinnen und -athleten im Schweizer Schneesport.
Unser Spezialist
Physiotherapeut, Klinik Hirslanden, Zürich