Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Die minimalinvasive Chirurgie mit mehreren 5-12mm kleinen Zugängen wird heute für die Entfernung von Lebertumoren eingesetzt, sofern diese an gut zugänglichen Orten der Leber liegen. Grosse Oberbauchschnitte mit oft unschönen Narben können damit vermieden werden. Die Resultate sind mit denjenigen der offenen Verfahren vergleichbar, führen jedoch zu geringerem Blutverlust, weniger Schmerzen und kleineren Narben.

Die Leberchirurgie hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt. Grosse und auch komplexe Operationen mit ausgedehnter Entfernung von krankhaftem Lebergewebe sind heute mit geringen Komplikationen möglich. Die operative Entfernung von gut- und bösartigen Tumoren der Leber, formelle Resektion genannt, ist daher ein anerkanntes Verfahren. Bisher wurden solche Eingriffe offen mittels grosser Schnitte im Oberbauch durchgeführt. Mit der Entwicklung der minimalinvasiven Chirurgie und der steigenden Erfahrung der Operateure können heutzutage durch 5–12 mm kleine Zugänge auch komplexe Operationen an Magen, Gallenblase, Dickdarm, Dünndarm und bei Weichteilbrüchen sicher durchgeführt werden. Minimalinvasive Operationen an der Leber werden hingegen aufgrund der komplexen Anatomie nur an einigen wenigen spezialisierten Zentren vorgenommen.

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Abb. 1
Die komplexen anatomischen Verhältnisse der linken Leber stark vereinfacht dargestellt: Gallengänge (a), Pfortader (b), Leberarterie (c), Lebervene (d), Tumor im Segment II / III (e), rechtsseitige Lebervene (f), Schnittfläche (g).


Abb. 2
Schema der Lebersegmente

Offene Operation bei grossen Tumoren

Bei Anwendung der offenen Technik muss der Chirurg grosse, längs oder quer im Oberbauch verlaufende Schnitte anlegen, damit er genügend Sicht auf die Leber, die Gallenwege, die grossen Gefässe und die anliegenden Organe hat. Liegen die Tumoren an der Hinterseite der Leber, direkt im Lebergewebe oder sind schwer zugänglich, ist es notwendig, die Leber so weit freizupräparieren, dass sie in die Wunde verschoben werden kann. Auch dazu ist ein genügend grosser Bauchschnitt erforderlich. Offen operiert werden vielfach grosse gut- und bösartige Tumoren, bei denen viel Lebergewebe bis hin zu einem ganzen Leberlappen entfernt werden muss.

Schlüssellochtechnik bei linksseitigen Tumoren

Gut zugänglich und für eine laparoskopische, minimalinvasive Resektion geeignet sind Tumoren an der Leberoberfläche und solche, die auf der linken Seite der Leber in den Segmenten II und III liegen (siehe Abb. 1). Diese Tumoren werden zuerst mit einem laparoskopischen Ultraschallgerät genau lokalisiert, ihre Beziehung zu den umgebenden Gefässen und Gallenwegen dargestellt, dann werden sie mit einem Abstand von mindestens einem Zentimeter freipräpariert.

Filigrane Strukturen und feine Gefässe

Bei einer Tumorentfernung im Segment II und III liegt die Schnittfläche entlang des Leberaufhängebandes (Ligamentum falciforme hepatis) – eines von mehreren Bändern, welche die Leber im Oberbauch fixieren. Die beiden Lebersegmente II und III werden wie alle der insgesamt acht Segmente je durch eigene Gallengänge, Portalvenenäste und Leberschlagadern versorgt. Diese portale Triade wird wiederum von der Glissonkapsel umhüllt und verläuft mitten im Lebergewebe.

Mit einem Ultraschall-Dissektorgerät wird zuerst die Basis der Glissonkapsel des Segmentes III kreisrund freigelegt. Darauf wird mittels eines geraden Klammernahtgerätes die Glisson-Kapsel mit den drei versorgenden Strukturen durchtrennt, damit die Leber eröffnet werden kann. Dann folgt die Durchtrennung des Lebergewebes bis zur Basis des Segmentes II, anschliessend diejenige der portalen Triade des Segmentes II. Der letzte Schritt muss nun äusserst vorsichtig durchgeführt werden: Das Lebergewebe wird bis an die linksseitige Lebervene durchtrennt, die nur über eine papierdünne Wand verfügt. Sie darf nicht verletzt werden, da sonst grössere Blutungen auftreten können.

Ist das Lebergewebe abgelöst, wird die Vene mit einem speziellen Klammernahtgerät für Gefässe verschlossen und durchtrennt. Damit werden die Segmente II und III sowie der Tumor frei. Das abgelöste Gewebe wird durch einen lediglich 3 cm grossen Schnitt oberhalb des Schambeins aus dem Bauchraum entfernt.

Die Schnittfläche am zurückbleibenden Lebergewebe wird kontrolliert. Kleinere Blutungspunkte werden mit Argonstrahl, Elektrokoagulationen oder Umstechungen gestillt. Zusätzlich wird die Schnittfläche mit körpereigenem Gewebekleber, einem sogenannten Fibrinkleber, verklebt und gesichert. Nach dem Entfernen der laparoskopischen Instrumente werden alle Zugänge mit einer Naht verschlossen.

Ausblick

Momentan wurden noch keine Vergleichsstudien zwischen offener und laparoskopischer Resektion der Segmente II und III publiziert. Einzeldarstellungen lassen aber den Schluss zu, dass das laparoskopische Verfahren gegenüber dem offenen Vorteile aufweist, wie zum Beispiel kleineren Blutverlust, weniger postoperative Komplikationen, kleinere Narben, dies bei einer im Falle bösartiger Tumoren mindestens gleich langen Überlebenszeit.

Die laparoskopische Leberresektion steht erst am Anfang ihrer Entwicklung. Mit zunehmender Erfahrung der Leberchirurgen und der Weiterentwicklung der laparoskopischen Methoden werden nicht nur Resektionen der Segmente II und III, sondern auch die Entfernung von ganzen Leberhälften möglich. Auch die Einführung von Robotersystemen, wie dem Da-Vinci-System in der viszeralen Chirurgie, wird zu einer Erweiterung der Möglichkeiten für ausgedehnte Leberresektionen führen.