Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Unter Interventioneller (oder Invasiver) Kardiologie versteht man diagnostische und therapeutische Herzeingriffe, die mittels Katheter vorgenommen werden können. Die Interventionelle Kardiologie nimmt heute eine führende Stellung in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein und trägt dazu bei, dass die Sterblichkeit von Patienten mit Erkrankungen wie Herzinfarkt, schwerer Herzschwäche oder Herzklappenerkrankungen stetig sinkt.

In der interventionellen Kardiologie sind in den letzten Jahren neue Methoden entwickelt worden, welche die Behandlungsoptionen revolutioniert haben. Je nach Krankheitsbild wird ein spezifischer Gefässzugang gewählt, über den die Katheter eingeführt werden.

Schema der diagnostischen und therapeutischen Zugänge:

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a Handgelenksarterie, für
1 Herzkranzarterien (Ballondilatation / Stenting)

b Leistenarterie, für
1 Herzkranzarterien (Ballondilatation / Stenting)
2 Aortenklappe (TAVI)
3 Nierenarterie
4 Halsschlagader

c Schlüsselbeinarterie, für
2 Aortenklappe (TAVI)

d Transapikaler Zugang, für
2 Aortenklappe (TAVI)

e Leistenvene, für
5 Herzscheidewand / Foramen Ovale (Schirmdevice / Blutstrommessung /  Transseptale Punktion)
6 Mitralklappe (Rekonstruktion / Mitra-Clip)
7 Linkes Vorhofohr (Verschluss)
8 Herzmuskel (Biopsie)

f Ernährung / Lifestyle
Eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil schützen vor Herzerkrankungen.

Handgelenksarterie (Arteria radialis)

Mit über diesen Zugang (siehe Abbildung a) eingelegten Kathetern (2-3 mm im Durchmesser) können die meisten Abklärungen und Eingriffe an den Herzkranzarterien vorgenommen werden. Die Ballondilatation (PTCA, Aufdehnung einer verengten Herzkranzarterie) ist nach wie vor der häufigste Eingriff in der interventionellen Kardiologie und ermöglicht mittels Stent-Implantation (Gefässstütze) die rasche und sichere Behandlung der koronaren Herzkrankheit. Aktuell werden medikamentenbeschichtete Stents (DES) routinemässig eingesetzt, da diese eine sehr niedrige Wiedereinengungsrate (Restenose) aufweisen. Neuere Stent-Technologien wie resorbierbare Stents (BVS), die sich mit der Zeit auflösen, kommen erst selektiv zum Einsatz und müssen sich noch gegen die etablierten DES im Studienvergleich und im klinischen Alltag behaupten. Der elegante Zugang über die Handgelenksarterie ermöglicht es dem Patienten, nach dem Eingriff sofort wieder aufzustehen und gleichentags die Klinik zu verlassen. Ausserdem ist das Blutungsrisiko geringer als beim Zugang über die Leistenarterie.

Leistenarterie (Arteria femoralis)

Die Leistenarterie (siehe Abbildung b) ist der Standardzugang für komplexe Eingriffe an den Kranzgefässen und bietet dank des grösseren Gefässdurchmessers mehr Möglichkeiten, auch hochspezialisierte Interventionen vorzunehmen. Wichtig ist dieser Zugang vor allem bei der Behandlung und Abklärung von Herzklappenerkrankungen. Der minimalinvasive Aortenklappenersatz (TAVI) gehört zu den Routineeingriffen an spezialisierten Zentren und ist bei ausgewählten Patienten der offenen Herzchirurgie überlegen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung sind detaillierte Voruntersuchungen mit Ultraschall und anderen bildgebenden Verfahren (Computertomographie). Die Mehrheit der TAVI kann ohne Vollnarkose vorgenommen werden. Für die übrigen Patienten kommt ein Zugang über die Herzspitze (transapikal – siehe Abbildung d) oder eine Einführung des Systems über die Schlüsselbeinarterie (siehe Abbildung c) in Betracht. Via Leistenarterie können ferner auch Eingriffe an den Bein-, den Hals- oder den Nierengefässen durchgeführt werden.

Leistenvene (Vena femoralis)

Eingriffe über den venösen Zugang (siehe Abbildung e) sind wegen des tieferen Drucks im Vergleich zum arteriellen Bereich prinzipiell weniger komplikationsanfällig. Typischerweise werden damit Messungen der Blutströmung (hämodynamische Messungen), Gewebeproben (Herzmuskelbiopsien) sowie die Evaluierung des Lungendrucks durchgeführt. Über diesen Zugang werden auch angeborene Herzfehler (Shuntvitien) wie der Vorhofseptumdefekt (ASD) oder das persistierende Foramen ovale (PFO), eine offene Verbindung vom rechten in den linken Vorhof, verschlossen bzw. behandelt. Eine solche Verbindung birgt die Gefahr einer Überlastung des Kreislaufs bzw. einer Herzschwäche sowie von thrombotischen Komplikationen, die zu einem Hirnschlag führen können: Kleine Gerinnsel, die sich in den Beinvenen gebildet haben, werden nicht im Lungenkreislauf abgefangen, sondern gelangen direkt in die arterielle Strombahn und verstopfen im schlimmsten Fall eine Hirnarterie. Mit einer sogenannten Schirmimplantation können solche Defekte einfach behoben werden – ohne Herzchirurgie.

Transseptale Punktion

Der venöse Zugang wird auch genutzt, um eine transseptale Punktion vorzunehmen (Durchstechen der Herzscheidewand). Damit wird bewusst eine Verbindung zwischen dem rechten und dem linken Vorhof geschaffen, sodass Eingriffe an der Mitralklappe möglich werden, der Klappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer, etwa die Ballondehnung einer verengten Klappe oder das Katheterverfahren für eine undichte Klappe (Mitra-Clip). Bei Hochrisikopatienten mit schwerer Undichtigkeit der Mitralklappe hat sich in den letzten Jahren das Mitra-Clip-Verfahren als gute Alternative etabliert. Dabei wird die Undichtigkeit mit einem Clip geschlossen. Für die erfolgreiche Anwendung sind Ultraschalltechnologie und Durchleuchtungstechnologie zu kombinieren. Der Hybrid-Operationssaal bietet dafür die optimalen Voraussetzungen. Wie bei den TAVI-Verfahren bedarf es auch hier eines hochspezialisierten Teams.

Darüber hinaus kann mittels transseptaler Punktion auch das linke Vorhofohr (LAA) verschlossen werden, das bei Patienten mit Vorhofflimmern eine Nische für Gerinnselbildungen darstellt. Diese neuere Technik besteht darin, dass der Kardiologe das linke Vorhofohr mit einem Implantat verschliesst. Dadurch lässt sich die wichtigste Emboliequelle eliminieren und das Hirnschlagrisiko reduzieren. Im Speziellen profitieren jene Patienten von einem Vorhofohrverschluss, die eine blutverdünnende Therapie wegen Vorhofflimmern einnehmen und zu Blutungen neigen. Nach dem Verschluss ist langfristig eine alleinige Therapie mit Aspirin möglich.

Medizinischer Fortschritt und gesunder Lebensstil

All diese interventionellen kardiologischen Techniken sind ein wichtiger Grundpfeiler der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen und ergänzen die Fortschritte in der Rhythmologie, in der Behandlung von Herzinsuffizienz und in der Herzchirurgie sowie bei den Medikamenten. Dank diesen Fortschritten gelingt es immer besser, den Patienten eine qualitativ hochstehende, minimalinvasive Therapie anzubieten. Es gilt jedoch weiterhin, dass der Patient mit einem gesunden Lebensstil, Sport und ausgewogener Ernährung selber massgeblich dazu beiträgt, dass ihm ein langes Leben mit hoher Lebensqualität beschieden sein wird.