Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Mit einem neuen, innovativen Konzept, das in enger Zusammenarbeit mit international anerkannten Zentren entwickelt wurde, ist es uns gelungen, Wundinfektionen im Rahmen der Herzchirurgie bis heute zu eliminieren. Seit Anwendung des Konzeptes ist die Wundinfektrate bei herzchirurgischen Eingriffen in der Klinik Im Park auf null gesunken.

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Der beste chirurgische Zugangsweg zum Herz besteht in einem Längsschnitt über den Brustkorb und beinhaltet die Durchtrennung des Brustbeins. Bei 2–14% der Patienten tritt nach erfolgreicher Herzoperation eine oberflächliche Wundinfektion der Weichteile oder eine tiefer reichende Infektion mit Zerstörung des Brustbeins auf. Diese Komplikation kann zu mehreren Nachfolgeoperationen führen, bei denen unter Umständen das Brustbein entfernt und der Brustkorb mithilfe der Brustmuskeln rekonstruiert werden muss. Bei ausgedehnter Infektion beträgt die Sterberate bis zu 20%. Die Behandlung dieser Komplikation ist extrem belastend und von einem ökonomischen Gesichtspunkt aus betrachtet sehr teuer. Obwohl unzählige operative Techniken und verschiedenste Hygienemassnahmen zur Verfügung stehen und sogar bauliche Veränderungen der Operationssäle vorgenommen wurden, führte gemäss internationaler wissenschaftlicher Literatur fast jede zehnte Operation mit Durchtrennung des Brustbeins früher oder später zu einer Wundinfektion.

Von Yale bis St. Petersburg

Die Prophylaxe der Wundinfektion bleibt der entscheidende Punkt. Seit Oktober 2009 verwendet die Herz- und Gefässchirurgie der Klinik Im Park ein neu entwickeltes Konzept zur Infektprophylaxe, das auf der Grundlage der internationalen Tätigkeit der «EurAsia Heart Foundation» (www.eurasiaheart.com) respektive mit der Yale School of Medicine, New Haven (USA), dem Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau (D) sowie dem Centre hospitalier universitaire de Grenoble (F) erarbeitet wurde. Ziel war es, postoperative Wundinfektionen nach herzchirurgischen Eingriffen zu eliminieren. Das Konzept wurde sowohl in der Klinik Im Park als auch in jenen Kliniken in Russland angewendet, bei denen eine enge Kooperation mit der «EurAsia Heart Foundation» besteht: Military Medical Academy, St. Petersburg; Universitätsklinik Petrosavodsk; Federal Center Penza und Jaroslavl State Medical Hospital.

Bakterien aus den Haarwurzeln vermeiden

Das Konzept basiert auf der Tatsache, dass auch nach adäquater Desinfektion des Operationsgebietes unmittelbar nach dem Hautschnitt Bakterien in der an sich sterilen Wunde nachgewiesen werden können. Diese werden beim Schnitt durch die Haut und das Fettgewebe aus den Wurzeln der Haarfollikel – das sind die Strukturen, die die Haarwurzel umgeben und das Haar in der Haut verankern – freigesetzt und können durch keine noch so gute Desinfektionsmassnahme eliminiert werden. Damit gewinnt die chirurgische und antiinfektiöse Behandlung in der Wunde selbst eine ganz andere Bedeutung.

Neues Vorgehen bei der Infektprophylaxe

Die Infektionsprophylaxe umfasst Massnahmen vor, während und nach der Operation: Auftragen einer antibiotischen Nasensalbe vor dem Eingriff, standardisierte Einlage anästhesiologischer Leitungen und Infusionen, spezifische Desinfektion des Operationsgebietes, schonende Behandlung der Wunde während des gesamten Eingriffs, Gabe von bestimmten Antibiotika direkt in die Wunde, maximale Stabilisierung des Brustbeins und schonender Wundverschluss. Eine umfassende Darstellung aller Massnahmen würde den Rahmen dieser Publikation sprengen, ist jedoch bei den Autoren erhältlich.

Positive Resultate

In der Klinik Im Park wurden 1112 Patienten analysiert: 552 Patienten, die zwischen August 2006 und September 2009 nach dem Standardverfahren operiert worden waren, und 560 Patienten, die zwischen Oktober 2009 und Dezember 2012 nach dem neu erarbeiteten Konzept der Infektionsprophylaxe behandelt wurden. Beim Standardverfahren erlitten 4.3% aller Patienten eine oberflächliche oder tiefe Infektion der Wunde, die zu mehreren Re-Operationen führte. Bei acht Patienten konnte die Wunde nur mittels plastisch-chirurgischem Eingriff verschlossen werden. Die Behandlung dieser Wundinfektionen verursachte dabei Kosten von 1.3 Millionen CHF pro Jahr.

Das neue Konzept zur Prophylaxe hingegen eliminierte die Wundinfektionen in der Herzchirurgie komplett. Seit der Anwendung dieses Konzepts ab Oktober 2009 erlitt kein einziger Patient mehr im Rahmen eines herzchirurgischen Eingriffs in der Klinik Im Park eine oberflächliche oder tiefer reichende Infektion der Wunde.

In die Weiterbildung aufgenommen

Diese Resultate haben sich in jenen russischen Kliniken bestätigt, in denen die «EurAsia Heart Foundation» mit dem gleichen Konzept arbeitet: Bei 3337 Patienten reduzierte sich die Infektionsrate von 7 auf 0.5%, und die durch postoperative Infektionen verursachte Sterberate konnte von 26 auf 0% gesenkt werden – eine hoch signifikante Reduktion sowohl der Sterberate als auch der Häufigkeit schwerer Komplikationen.

Die Zusammenarbeit der Klinik Im Park mit der «EurAsia Heart Foundation» beweist die Bereitschaft zu interdisziplinärer Forschung, zum Engagement in Aus- und Weiterbildung und widerspiegelt die beste humanitäre Tradition unseres Landes.

EurAsia Heart Foundation

Die schweizerische Stiftung EurAsia Heart wurde 2006 von Prof. Dr. med. Paul Vogt von der Klinik Im Park initiiert und steht heute unter dem Patronatskomitee von alt Bundesrat Adolf Ogi und Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder. Sie hat zum Ziel, in benachteiligten Ländern Herz- und Gefässeingriffe zu ermöglichen, indem die lokalen Ärzte vor Ort von erfahrenen Chirurgen, Kardiologen, Anästhesisten und Intensivmedizinern ausgebildet werden.

Mitglieder von EurAsia Heart reisen in Entwicklungsländer, in denen heute 80% aller herz- und kreislaufbedingten Todesfälle vorkommen, und arbeiten unentgeltlich mit Kollegen vor Ort, mit dem Ziel, dass diese Diagnostik, Therapie und Prävention von Herz- und Kreislauferkrankungen nach neustem Standard erlernen. Dabei operieren, wenn immer möglich, die lokalen Teams vor Ort; die Ärzte von EurAsia Heart assistieren und transferieren so ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fertigkeiten eins zu eins unter Verwendung der lokalen Ausrüstung. Diese Hilfe zur Selbsthilfe ist an vier Bedingungen geknüpft: 1) Die offiziellen Institutionen des Landes sind beteiligt und unterstützen das Projekt. 2) Die Zusammenarbeit basiert auf der lokalen Infrastruktur, die stetig verbessert werden kann. 3) Ein stabiles lokales Team ist vor Ort. 4) Die Zusammenarbeit muss langfristig angelegt sein.

Weitere Informationen: www.eurasiaheart.com