Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Einst für Hochrisiko-Patienten entwickelt, wird diese Methode des Aortenklappen-Ersatzes immer häufiger auch bei Patienten mit tieferem Risiko angewandt. Das Abwägen zwischen einer offenen Operation und einer TAVI, eine genaue Definition der möglichen Zugangswege und eine exakte Planung des Eingriffs dienen der höchstmöglichen Sicherheit.

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Abb. 1
Platzierung der Klappenprothese in die verkalkte und verengte Aortenklappe. Hier sichtbar ist eine ballonexpandierbare Prothese.
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Abb. 2
Implantierte und aufgefaltete Aortenklappenprothese

Der chirurgische Aortenklappenersatz ist die Therapie der Wahl zur Behandlung einer hochgradigen Aortenklappenstenose. Bei einer offenen Operation wird das Brustbein in seiner Längsachse durchtrennt und so der Brustkorb eröffnet; der minimalinvasive Zugang erfolgt über eine kleine seitliche Eröffnung des Brustkorbs oder eine Teildurchtrennung des Brustbeins im oberen Drittel. Bei allen drei Zugängen verwendet man für die Operation der verkalkten Aortenklappe eine Herz-Lungen-Maschine. Die defekte Klappe wird entfernt und anschliessend durch eine biologische oder mechanische Klappenprothese ersetzt. Die Resultate des offenen bzw. minimalinvasiven chirurgischen Aortenklappenersatzes sind sehr gut dokumentiert und weisen heute eine sehr tiefe Sterblichkeitsrate aller Patienten mit Aortenstenose von nurmehr 2 bis 4 % auf.1 Die Symptome wie Brustschmerzen und Engegefühl, Schwächegefühl, Kurzatmigkeit bis hin zu Ohnmacht bei Anstrengung, verschwinden mehrheitlich.

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Abb. 3
Dreidimensionale Rekonstruktion der Bauchhauptschlagader und der grossen Arterienstämme, die der Beurteilung der Gefässverkalkung und -verengung sowie der Planung des Eingriffs dient.

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Abb. 4
Dreidimensionale Rekonstruktion der Aorta ascendens und virtuelle Implantation der Prothese. Die optimale Grösse und das Modell der Prothese werden individuell für jeden Patienten bestimmt.

Anfänglich als Alternative gedacht

Für betagte, chronisch kranke Patienten und geschwächte Patienten mit Mehrfacherkrankungen war ein solcher Eingriff mit einem zu hohen Risiko verbunden. Um auch diese Hochrisiko-Patienten behandeln zu können, wurde als Alternative zur offenen Operation eine katheterbasierte Methode entwickelt, die von Kardiologen angewendet wird. Dieser katheterbasierte Aortenklappenersatz (transcatheter aortic valve implantation), kurz TAVI genannt, wird nun jedoch – wegen der guten Resultate und des schonenden Verfahrens – zusehends auch bei Patienten mit tieferem Risiko durchgeführt.

Planung des Eingriffs in 3D

Um eine TAVI mit der grösstmöglichen Sicherheit durchführen zu können, bedarf es einer minutiösen Planung der Intervention. Deswegen wird bei allen Patienten eine Computertomographie der Aortenklappe und speziell der Gefässe – von der Hauptschlagader bis zu den Leistengefässen – durchgeführt. Mit diesen Bildern werden anschliessend eine 3D-Rekonstruktion der Klappe und des Gefässsystems sowie ihre räumliche Anordnung im Körper dargestellt (Abb.  3). Ebenfalls misst man auch die Grösse der Gefässe und der Aortenklappe, um die für den Patienten passende Klappe im Voraus auszuwählen (Abb. 4). Anhand dieser 3D-Darstellung und der Ausmessungen wird dann der geeignetste Zugangsweg zur Aortenklappe bestimmt, wobei man auf die Grösse, starke Verkalkungen sowie auf einen geschlängelten Verlauf der Gefässe achtet.

Positionierung der Klappe

Die Klappe kann mittels Katheter über vier Zugangswege in die erkrankte Aortenklappe eingebracht werden: über die Leiste (transfemoral) in 80 bis 90 % sowie alternativ in 10 bis 20 % der Fälle direkt über die Herzspitze (transapikal), über die Schlüsselbeinarterie (trans-subclavial) oder direkt über die Aorta ascendens (transaortal). Beim transapikalen sowie beim transaortalen Zugang bedarf es einer kleinen Eröffnung des Brustkorbes zwischen den Rippen. Die alternativen Zugänge werden gewählt, wenn die Leistengefässe entweder zu klein, zu verkalkt oder zu geschlängelt sind.

Unter Röntgenkontrolle wird dann die neue Klappe präzise auf der Höhe des körpereigenen Aortenklappenrings abgesetzt (Abb. 1). Danach entfernt man den Katheter wieder und verschliesst den Zugangsweg. Im Unterschied zur offenen Operation wird die Aortenklappe nicht entfernt, sondern durch die TAVI-Klappe nur an die Herzwand gedrückt (Abb. 2). Eine Herz-Lungen-Maschine ist für diese Intervention nicht notwendig.

TAVI oder offene Operation?

Die mit einem TAVI-Aortenklappenersatz erzielten Resultate dürfen auch mit Blick auf die Symptome als gut bezeichnet werden. Das Risiko, innerhalb von 30 Tagen an der Operation zu versterben, liegt weltweit bei 3 bis 5 %.2 Wie lange diese Klappe funktionstüchtig bleibt, ist zwar noch unklar, da Langzeitresultate fehlen. Jedoch gibt es bis anhin keine Anzeichen, dass sie weniger lang halten sollte als konventionelle Bioprothesen. Bei einer TAVI muss allerdings im Vergleich zu einer offenen Operation mit einer höheren Rate von Schrittmacherimplantationen gerechnet werden.

Um bei einem Patienten mit einer Aortenklappenerkrankung das optimale Vorgehen festzulegen, sollten daher im Rahmen einer interdisziplinären Konferenz von Herzchirurgen und interventionellen Kardiologen beide therapeutischen Optionen unvoreingenommen erörtert werden.

Da es sich bei der TAVI um eine teure Prozedur handelt, die momentan nur gewissen Patienten einen nachgewiesenen Vorteil bringt, ist es wichtig, dass es bei der Auswahl der therapeutischen Verfahren zu einer ehrlichen Güterabwägung kommt. Dies sollte zur Folge haben, dass TAVI nicht nur deswegen gewählt wird, weil der Eingriff schonender ist, sondern weil er auch längerfristig dem Patienten einen Nutzen bringt.

Eine TAVI ist bei sogenannten Hochrisiko-Patienten angezeigt, die entweder über 80 Jahre alt sind und noch zusätzliche Risikofaktoren wie Niereninsuffizienz aufweisen oder schon einmal am Herz operiert wurden. Patienten mit einem mittleren Operationsrisiko kann entweder TAVI oder die offene Operation empfohlen werden. Hingegen ist bei einem Patienten mit tiefem Risiko, wie es z. B. ein unter 70-jähriger, sonst gesunder Patient darstellt, die konventionelle Operation weiterhin als Standard zu betrachten.

1 Brown JM et al., Ann Thorac Surg 2009;137:82–90, Plass AR et al. Ann Thorac Surg. 2009 Dec;88(6):1851-6, Lamelas J et al. Ann Thorac Surg. 2011 Jan;91(1):79–84
 2 Wenaweser P et al., EuroIntervention 2014