Medizin

Sommer, Sonne, Sonnenbrand? Gerade in den heissen Monaten ist Sonnenschutz ein zentrales Thema – und doch kursieren viele Irrtümer, die der Haut mehr schaden als helfen. Wir haben mit Prof. Dr. Mirjana Maiwald, Fachärztin für Dermatologie, gesprochen. Im Interview erklärt sie, worauf es beim Schutz vor UV-Strahlung wirklich ankommt, und räumt mit typischen Mythen auf.

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Frau Dr. Maiwald, warum ist Sonnenschutz so wichtig?

Sonnenschutz schützt die Haut vor chronischer UV-Strahlung, die langfristig zu vorzeitiger Hautalterung und einem erhöhten Hautkrebsrisiko führen kann. UVB-Strahlen wirken oberflächlicher in der Oberhaut (Epidermis), verursachen Sonnenbrand und führen ebenfalls zu Zellschäden, die Hautkrebs begünstigen können. UVA-Strahlen dringen tief bis in die Lederhaut (Dermis) ein, fördern die Hautalterung und schädigen die Zellen – selbst durch Fensterglas und bei bewölktem Himmel. Ein konsequenter Sonnenschutz ist deshalb nicht nur im Sommer wichtig, sondern das ganze Jahr über – besonders für empfindliche Hauttypen.

Welche langfristigen Folgen hat zu viel Sonne auf die Haut?

Zu viel Sonne kann zu Krebsvorstufen führen und langfristig weissen oder schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom) verursachen. Zudem schädigt UV-Strahlung das Lederhautgewebe (Dermis) – es entstehen Falten, Pigmentstörungen und erweiterte Gefässe. Dieser Prozess, bekannt als Photoaging, verläuft schleichend: Die Hautschäden zeigen sich oft erst Jahre oder Jahrzehnte später. Haben sich solche Sonnenschäden einmal manifestiert, lässt sich die Haut nur noch begrenzt zurück verändern. Häufig bleibt als einzige Option nur das chirurgische Entfernen vom Hautkrebs und Vorstufen. Das maligne Melanom gilt – neben Brust- und Lungenkrebs – als eine der tödlichsten Krebsarten, da es schon frühzeitig Metastasen bilden kann.

Wie häufig sehen Sie in Ihrer Praxis Schäden durch unzureichenden Schutz?

Sehr häufig – teils sogar mehrmals täglich. Hautschäden durch UV-Strahlung gehören zu meinem medizinischen Alltag. Besonders alarmierend ist, dass Hautkrebsvorstufen mittlerweile bereits bei Menschen ab Mitte 30 auftreten – früher sahen wir solche Befunde meist erst ab dem 60. Lebensjahr. In der Schweiz ist die Zahl der Fälle von weissem und schwarzem Hautkrebs überdurchschnittlich hoch. Im weltweiten Vergleich liegen wir in den ersten Top 10 hinter Australien und Neuseeland. Der Hauttyp der Schweizer Bevölkerung ist zwar gleich hell geblieben, aber wir werden älter und unser Verhalten im Alltag und in der Freizeit hat sich verändert – wir verbringen mehr Zeit draussen und reisen häufiger. Zudem hat sich die Intensität der UV-Strahlung in bestimmten Regionen durch Veränderungen in der Ozonschicht erhöht – was das Risiko zusätzlich verstärkt.

Was hilft wirklich beim Schutz vor der Sonne?

Ein wirksamer Sonnenschutz besteht aus zwei Komponenten: dem richtigen Verhalten und geeigneten Produkten. Zur Produktanwendung gehören Sonnenschutzmittel mit Lichtschutzfaktor (LSF) 50+, die in ausreichender Menge und regelmässig – alle 2 bis 3 Stunden – aufgetragen werden sollten. Denn Schweiss, Wasser oder Reibung durch Kleidung können den Schutzfilm reduzieren oder entfernen. Wichtig ist, das Sonnenschutzmittel mindestens 20 Minuten vor dem Aufenthalt im Freien aufzutragen. Viele Menschen tragen zu wenig Produkt auf – dadurch wird der angegebene Lichtschutzfaktor in der Praxis oft nicht erreicht. Ausserdem schützt der LSF nur vor UVB-Strahlen, also jenen, die Sonnenbrand verursachen. Ein umfassender Schutz muss auch UVA-Strahlen abdecken, die tief in die Haut eindringen und die Hautalterung fördern. In Europa erkennt man guten UVA-Schutz am Symbol eines Kreises mit der Aufschrift „UVA“ auf der Verpackung.

Und die zweite Komponente?

Damit ist das richtige Verhalten gemeint. Dazu gehört, die Mittagssonne zu meiden, bevorzugt Schatten aufzusuchen und Schutzkleidung mit UV-zertifiziertem Gewebe zu tragen. Gerade für Outdoor-Aktivitäten gibt es heute eine Vielzahl an Kleidungsstücken mit integriertem UV-Schutz. Diese sind mit dem sogenannten Ultraviolet Protection Factor (UPF) gekennzeichnet. Ein Textil mit UPF 50 lässt nur 1/50 der UV-Strahlung durch – also rund 2 Prozent, unabhängig davon, ob es sich um UVA- oder UVB-Strahlen handelt.
Für Personen mit erhöhtem Risiko kann zusätzlich die tägliche Einnahme von Polypodium leucotomos sinnvoll sein – ein Extrakt aus einem tropischen Farn, der die Haut vor UV-bedingten Zellschäden schützen kann. Allerdings ersetzt dies weder Sonnencreme noch Schutzkleidung. Auch eine vitaminreiche Ernährung mit vielen Antioxidantien kann die Haut von innen stärken und das Sonnenschutzkonzept ergänzen.

Worauf gilt es bei Sonnenschutz-Produkten zu achten? Gibt es zum Beispiel Inhaltsstoffe, die man vermeiden sollte?

Wichtig ist, dass Sonnenschutzprodukte sowohl vor UVB- als auch vor UVA-Strahlen schützen. In Europa gelten für deren Zusammensetzung strenge gesetzliche Auflagen, sodass keine generelle Warnung vor bestimmten Inhaltsstoffen ausgesprochen werden muss. Es gibt keinen wissenschaftlich belegten Grund, bestimmte UV-Filter grundsätzlich zu meiden. Für Menschen mit empfindlicher oder sensibler Haut können jedoch mineralische (physikalische) UV-Filter eine gute Alternative sein. Diese wirken sofort nach dem Auftragen, verbleiben auf der Hautoberfläche und dringen nicht in die Haut ein. Wichtig ist zudem, dass Sonnenschutzprodukte am Abend gründlich entfernt werden – insbesondere wenn sie wasserfest sind. Da sie sich oft nicht mit klarem Wasser allein abwaschen lassen, empfiehlt sich die Reinigung mit Waschöl oder milder Seife.

Immer wieder hört man bestimmte Aussagen rund um das Thema Sonnenschutz – viele davon halten sich hartnäckig. Welche dieser Mythen sind falsch, und warum können sie sogar gefährlich sein?

  • «Ich brauche keine Sonnencreme, wenn es bewölkt ist.»
    Falsch. Je nach Grad der Bewölkung dringen 30% bis 80 % der UV-Strahlen durch.
  • «Einmal eincremen am Morgen reicht für den ganzen Tag.»
    Falsch. Schweiss, Wasser und Reibung durch Kleidung reduzieren den Schutz. Alle 2–3 Stunden nachcremen!
  • «Wenn ich braun werde, ist das doch ein Zeichen gesunder Haut.»
    Falsch. Bräune ist eine Stressreaktion der Haut, kein Gesundheitszeichen.
  • «Ich habe eine dunkle Haut, ich brauche keinen Sonnenschutz.»
    Falsch. Auch dunkle Haut kann Sonnenbrand bekommen und an Hautkrebs erkranken.
  • «Mit hohem Lichtschutzfaktor bekomme ich keine Bräune mehr.»
    Falsch. Man wird langsamer braun – die Schutzwirkung steht im Vordergrund.
  • «Sonnenschutz ist schädlich und verursacht Hautkrebs.»
    Falsch. Sonnenschutz hat keine schädlichen Auswirkungen. Aber es ist wissenschaftlich schwarz auf weiss belegt, dass UV-Strahlung Zellen schädigt.
  • «Sonne ist wichtig für die Bildung von Vitamin D, deshalb creme ich mich nicht ein.»
    Teilweise richtig. Ja, Sonne unterstützt die körpereigene Bildung von Vitamin D. Doch anstatt sich ungeschützt der UV-Strahlung auszusetzen, ist es sinnvoller, den Bedarf durch Vitamin-D-Tropfen zu decken.

Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern noch auf den Weg mitgeben?

Nur weil man den Sonnenschaden heute nicht sieht, heisst das nicht, dass er nicht da ist. UV-Schäden sind kumulativ – sie bauen sich schleichend auf. Man sieht sie oft erst mit 30 oder 40 Jahren. Ein konsequenter Sonnenschutz heute zahlt sich langfristig aus – für die Gesundheit und das Hautbild.