Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Da Sarkome lange kaum Schmerzen bereiten, halten Betroffene sie anfangs oft für eine harmlose Schwellung oder Verdickung. Die seltenen Tumoren sind jedoch bösartig. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die enge Zusammenarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen.

Sarkome sind bösartige Tumoren, die im Stütz- und Bindegewebe entstehen. Dazu gehören etwa die Knochen, die Muskeln und das Fettgewebe. Sie kommen in jeder Altersgruppe vor, wobei ihre Häufigkeit in höherem 

Alter zunimmt. Insgesamt sind Sarkome allerdings sehr viel seltener als Karzinome, die bösartigen Tumoren des Drüsengewebes wie etwa der Brust oder der Prostata. So machen Sarkome nur rund ein Prozent aller bösartigen Tumoren aus. Ihre Behandlung erfordert deshalb nicht nur ein hohes Engagement für jeden einzelnen Patienten, sondern auch eine sehr spezialisierte Kompetenz. Sie ist nur durch nationale und internationale Vernetzung zu gewinn

Gute Prognose

Werden alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft, ist bei Sarkomen in über 80 Prozent der Fälle eine Heilung möglich. Selbst nach Auftreten von Metastasen bestehen bei aggressiver Behandlung oft noch Heilungschancen. Im Zentrum steht dabei stets die vollständige operative Entfernung des Tumors. Ihr voraus geht manchmal eine Radiotherapie (Bestrahlung). Auf Chemotherapie sprechen die meisten Sarkome hingegen nicht an.

Symptome und Diagnostik

In der Regel spüren Patienten ein Sarkom erst dann, wenn es eine gewisse Grösse erreicht hat. Um die Art des Tumors so genau wie möglich zu erfassen, beginnt die Abklärung mit einer bildgebenden Untersuchung im MRI. Besteht Verdacht auf Bösartigkeit, wird anschliessend eine Gewebeuntersuchung (Biopsie) notwendig. Die Gewebeentnahme mit einer Nadel sollte vom operierenden Tumor-Orthopäden selbst durchgeführt werden oder jedenfalls gemeinsam mit ihm, da der Biopsieweg später in die Tumorentfernung zu integrieren ist. Zur genauen Bestimmung der Tumorzellen wird die Probe in der Pathologie analysiert. Da es sich um seltene Tumoren handelt, erfolgen zusätzlich molekularbiologische Untersuchungen. Mitunter werden auch internationale Fachkollegen zu Rate gezogen.

Steht die Diagnose fest, ist zu entscheiden, ob vor der Operation eine Radiotherapie oder selten auch einmal eine Chemotherapie angezeigt ist. Diese Diskussion findet an einem Tumor-Board statt, an dem Fachärzte verschiedener Disziplinen teilnehmen.

Die chirurgische Therapie

Die Operation besteht aus zwei Phasen, aus der Entfernung des Tumors und der Rekonstruktion der dabei entstandenen Defekte. Zum Operationsteam gehören deshalb neben dem Tumor-Orthopäden meist auch ein Gefässchirurg sowie ein plastisch-rekonstruktiver Chirurg.

Der Tumor ist komplett mit einer ihn umgebenden gesunden Gewebeschicht zu entfernen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass keine Tumorreste im Körper zurückbleiben. Das bedeutet, dass der Tumor während der Operation nie sichtbar werden darf. Aus diesem Grund kommen spezielle Navigationstechniken zum Einsatz, die dem Chirurgen eine Orientierung ermöglichen. Ferner darf die Tumorentfernung keine Rücksicht darauf nehmen, dass sich die Wunde möglichst einfach verschliessen lässt. Berührt der Tumor Knochen oder Organe, sind Teile davon ebenfalls zu entfernen. Entsprechend aufwendig kann die Rekonstruktion nach der Tumorentfernung ausfallen. So müssen zuerst die entstandenen Defekte an Gefässen, Weichteilen und manchmal Knochen behoben werden. Anschliessend gilt es die Weichteil- und Hautdeckung wiederherzustellen.

Nach der Operation ist eine ausgezeichnete pflegerische Betreuung bis zur Wundheilung unerlässlich. Das ist oft eine anspruchsvolle Aufgabe. Im Idealfall werden die Patienten, sofern sie damit einverstanden sind, auch nach ihrer Genesung unbefristet weiter beobachtet. So lassen sich Rückfälle früh erkennen und behandeln. Gleichzeitig können wichtige Erkenntnisse über diese seltene Krankheit gewonnen werden. Sie werden international kommuniziert, sodass zukünftige Patienten weltweit davon profitieren können.

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Abb. 1
Ablauf der Operation:
1. Entfernung des vollständig von einer gesunden Gewebeschicht umschlossenen Tumors
2. Freilegung des Grossen Rückenmuskels
3. Verpflanzung des Grossen Rückenmuskels in die Leiste zur Deckung des Defekts
4. Verbindung der Blutgefässe des verpflanzten Muskels mit den Blutgefässen in der Leiste
5. Deckung des verpflanzten Muskels mit einem dünnen Hauttransplantat vom Oberschenkel

Ablauf der Teamarbeit

Diagnose
Hausarzt – Radiologe – Tumor-Orthopäde – Pathologe

Therapie
Radiotherapeut/Onkologe – Tumor-Operationsteam

Nachsorge
Pflege – Tumor-Orthopäde – Hausarzt – Onkologe

Ein Patientenbeispiel

Ein 66-jähriger Mann bei ansonsten bester Gesundheit stellte im Gesässbereich eine Verdickung fest, die über ein Jahr langsam gewachsen war und keine Schmerzen bereitete. Das MRI zeigte einen Tumor von einer Grösse von rund 120 ml. Aufgrund des hochgradigen Verdachts auf ein Liposarkom (Sarkom des Fettgewebes) entnahm der Radiologe unter Ultraschallkontrolle eine Gewebeprobe. Dabei anwesend war auch der operierende Orthopäde. Die pathologische Analyse der Probe bestätigte den Verdacht. Um die Funktion der Gesässmuskulatur zu erhalten, durfte bei der Tumorentfernung nur wenig gesundes Gewebe um den Tumor herum mitentfernt werden. Aus diesem Grund erhielt der Patient vor der Operation eine Radiotherapie mit dem Ziel, möglichst viele Tumorzellen abzutöten und dadurch den Tumor zu schwächen.

Damit sich der Tumor-Chirurg bei der Entfernung des von gesundem Gewebe umschlossenen Tumors orientieren konnte, platzierte die Radiologin unter Ultraschallkontrolle mehrere Metallfäden im Abstand von 2 cm rund um den Tumor. Diese für den Operationserfolg entscheidende Vorbereitung fand einen Tag vor dem Eingriff und in Anwesenheit des Chirurgen statt.

Die Operation selbst erfolgte im Team mit dem Tumor-Chirurgen, einem plastischen Chirurgen und einer speziell in Mikrochirurgie erfahrenen plastischen Chirurgin. Die Arbeitsteilung gestaltete sich dabei wie folgt (vgl. Abb. 1): Der Tumor-Chirurg entfernte zusammen mit dem plastischen Chirurgen den Tumor – stets unter Orientierung an den eingebrachten Metallfäden. Parallel dazu legte die Chirurgin zusammen mit einer Assistentin den Grossen Rückenmuskel frei, um ihn später zur Deckung des grossen Defekts transplantieren zu können.

Um die Durchblutung und Einheilung des transplantierten Muskels zu gewährleisten, musste eine Verbindung der Blutgefässe des Rückenmuskels neu angelegt werden. Hierfür präparierte die Chirurgin nach der Tumorentfernung die geeigneten Leistengefässe, um die zum komplett herausgelösten Rückenmuskel zuführenden Blutgefässe unter dem Mikroskop daran anzuschliessen. In einem letzten Schritt wurde der verpflanzte Muskel mit Spalthaut abgedeckt.

Der entfernte Tumor wurde vom Pathologen gemeinsam mit dem Tumor-Chirurgen analysiert. Die Untersuchung bestätigte, dass die komplette Entfernung des Tumors ohne dessen Eröffnung gelungen war. Das heisst, es blieben keine Tumorreste im Körper zurück. Der Patient erholte sich nach der Operation dank kompetenter Nachsorge gut und ist heute beschwerdefrei.