Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Früher führte die Hüftarthrose zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, die sich oft bis zur Gehunfähigkeit steigerten. Erst die Entwicklung des künstlichen Gelenkersatzes konnte dieser Krankheit den Schrecken nehmen. Fortschritte in neuerer Zeit erlauben nun, die Operation mit minimalinvasiven Techniken, insbesondere über den vorderen Zugang, noch gewebeschonender durchzuführen.

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Abb. 1
Der vordere Zugang zum Oberschenkelkopf erfolgt über einen 8 cm kurzen Schnitt, der exakt zwischen zwei Muskelgruppen verläuft. An dieser Stelle müssen keine Nerven oder Gefässe durchtrennt werden, da diese längs zur Muskelgruppe verlaufen. Die Muskeln und die eröffnete Gelenkkapsel werden mittels Spreizer auseinandergehalten. Mit speziellen, abgewinkelten Instrumenten kann nun die Operation erfolgen.
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Abb. 2
Die Hüftgelenk-Totalprothese (Pfanne, Kopf und Schaft) ist über diesen schmalen Zugang implantiert und die Gelenkkapsel wieder verschlossen worden. Der gesamte Eingriff ist ohne eine einzige Ablösung bzw. Durchtrennung von Muskeln oder Nerven erfolgt, welche bei anderen Operationsmethoden wieder refixiert werden müssten. Dank dieser schonenden Methode kann die Hospitalisations- und die Rekonvaleszenzdauer deutlich verkürzt werden.

Seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts befindet sich das künstliche Hüftgelenk auf einem Siegeszug. Sukzessive Verbesserung von Materialien, wie etwa die Einführung von Titan- und Keramikverbindungen, sowie die Verbesserung der Operationstechniken machten diese Operation zu einem der erfolgreichsten Eingriffe überhaupt. Einer der letzten markanten, äusserst wichtigen Schritte war die Entwicklung der sogenannten minimalinvasiven Operationstechniken (MIS). Spitalaufenthalte von 6 Wochen in den 80er-Jahren konnten dank den neuen Techniken auf 5–10 Tage gesenkt werden. Heute ist der komplette künstliche Ersatz des Hüftgelenkes zum Routineeingriff geworden.

Im Jahr 2009 wurden in der Schweiz ca. 17 000 künstliche Hüftgelenke implantiert. Die Tendenz ist weiter stark steigend. Das Durchschnittsalter beim Einsetzen einer Hüft-Totalendoprothese beträgt in der Schweiz 68 Jahre; in den USA liegt es bei 50 Jahren! Durch sukzessive Verbesserung der Materialen konnte die Lebensdauer der Prothese auf mindestens 15 Jahre verlängert werden.

Altersbedingte Gelenkabnutzung

Das Hüftgelenk verbindet den Rumpf mit den Beinen. Die Hüftpfanne des Beckens und der runde Hüftkopf des Oberschenkelknochens sind mit einer glatten Knorpelschicht überzogen. Dieses elastische Gewebe des Gelenkknorpels ermöglicht einen reibungsarmen Bewegungsablauf. Kräftige Bänder, die Gelenkkapsel und die umgebende Muskulatur geben dem Hüftgelenk seine Stabilität. Der Gelenkknorpel kann sich über die Jahre altersbedingt abnutzen, was zu einem Gelenkverschleiss und damit zur Arthrose führen kann.

Arthrose ist sehr weit verbreitet. Ab dem 40. Lebensjahr ist in der Schweiz 1⁄3 der Bevölkerung mehr oder weniger stark davon betroffen. Die schwer belasteten Gelenke, wie Knie und Hüften, werden naturgemäss früher und stärker abgenutzt als etwa die Schulter. Der Grund dafür ist der normale Alterungsprozess, gekoppelt mit dem Verschleiss der Gelenke. Die Abnutzung ist individuell verschieden, häufig wird die Neigung zur Arthrose aber vererbt. Ebenfalls können angeborene oder unfallbedingte Fehlstellungen aufgrund der dauernden falschen Belastung einen Teil des Gelenkes abnutzen und zerstören. Schliesslich reibt Knochen auf Knochen.

Wenn die Schmerzen stärker werden

Die Symptome der Arthrose sind allgemein bekannt: Am Anfang treten die Schmerzen nur bei grösserer Belastung auf, dann zunehmend beim Anlaufen und im fortgeschrittenen Stadium auch in Ruhe. Zusätzlich wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sodass bei der Hüftarthrose beispielsweise die Fusspflege zunehmend problematisch wird. In den Frühstadien der Abnutzung kommt eine breite Palette an Methoden in Frage, wie etwa Physiotherapien, Rheumabäder, Medikamente, Spritzen oder eine temporäre Stockentlastung, beispielsweise bei Wanderungen. Ist das Gelenk allerdings einmal so zerstört, dass es im wahrsten Sinne des Wortes «einfach nicht mehr geht», ist der künstliche Hüftgelenkersatz eine äusserst taugliche Behandlungsmethode.

Minimalinvasive Operationstechniken

Der Begriff minimal invasive surgery (MIS) wurde Anfang dieses Jahrtausends in den USA geprägt. Es handelt sich dabei um eine möglichst schonende Art, die Pfannenteile, Schaft und Pfanne in das Gelenk einzubringen, ohne die Muskeln vom Knochen ablösen zu müssen. Dies ist insbesondere für den Genesungsprozess und die weitere Belastung vorteilhaft. Die Schwierigkeit bei dieser muskelschonenden Methode besteht denn auch darin, dass ziemlich grosse Metallteile – Schaft und Pfanne – durch eine möglichst kleine Eröffnung korrekt positioniert werden müssen.

Heute gibt es vereinfacht gesagt drei Möglichkeiten für die minimalinvasive Operation: den hinteren, den seitlichen und den vorderen Zugang. Allen drei Zugängen gemeinsam ist die Schwierigkeit, vorne oder hinten am wichtigsten stabilisierenden Muskel im Hüftgelenksbereich, dem Gluteus medius, vorbeizukommen. Bis anhin musste dieser Muskel abgelöst und später wieder angenäht werden. Beim wohl schonendsten Zugang handelt es sich um den vorderen nach Hueter-Laude (Abb. 1), heute kurz AMIS genannt. Dies ist der einzige Zugang, bei welchem weder grössere Nerven noch Gefässe quer zur Eintrittsstelle und den darunter liegenden Schichten laufen. Die Verletzungen an umliegenden Strukturen sind damit wesentlich geringer als bei den anderen Zugängen.

Vorderer Zugang nach Hueter-Laude

Dieser Zugang ist erstaunlicherweise uralt. Bereits 1870 hat Karl Hueter in Deutschland diese Methode beschrieben! Damals wurde sie für recht grobe Operationen bei Verletzungen oder Entzündungen angewandt. 50 Jahre lang war diese Methode der wichtigste Zugang zur Hüfte, verschwand dann aber vollständig. Wiederbelebt wurde die Methode vor ca. 10 Jahren in Paris von Dr. F. Laude, der das Potenzial dieser alten Methode für die Implantation des künstlichen Hüftgelenkes erkannte. Die Herausforderung lag darin, den Zugang für den künstlichen Gelenkersatz tauglich zu machen. Hierfür mussten spezielle Instrumente entwickelt werden – sie haben die Form eines «S» –, um gleichsam um die Ecke operieren zu können. Die erste Operation dieser Art wurde in der Schweiz Ende 2004 durchgeführt; gut fünf Jahre später handelt es sich um einen Standardeingriff.

Raschere Mobilität mit AMIS

Beim vorderen minimalinvasiven Zugang handelt es sich um eine technisch schwierige Operation mit etlichen Vorteilen (Abb. 2). Nach einer AMIS kann der Patient rascher mobilisiert werden als nach einer klassischen Hüftoperation. Häufig ist eine Vollbelastung bereits ab dem ersten postoperativen Tag möglich und der Patient kann nach dem zweiten, spätestens nach dem dritten Tag selbstständig herumgehen. Dies hat den Vorteil, dass aufgrund der kurzen Liegedauer weniger Folgeschäden, wie beispielsweise Thrombosen, entstehen. Der Patient benötigt dank dem schonenden Eingriff weniger Therapien, kann rascher aus dem Spital entlassen werden und verfügt über eine grössere Mobilität. Die Schmerzen sind deutlich geringer.

Alle Zugänge haben ihre Vor- und Nachteile, und es muss für jeden Patienten individuell abgewogen werden, welcher Zugang für die Operation sinnvoll ist. Einschränkungen bei der Anwendung von MIS können extreme Osteoporose oder Voroperationen sein, sodass die klassische Operationsmethode vorgezogen werden muss.