Swissmedic Vigilance-News Edition 33 – November 2024
PDF | 3.97 MB
Die Pharmazie kümmert sich an 365 Tagen im Jahr um die Medikationssicherheit und überwacht täglich klinikübergreifend definierte Hochrisiko-Medikamente.
Durch die gezielte Kontrolle von Hochrisiko-Medikamenten verhindern unsere Pharmazeuten und Pharmazeutinnen beispielsweise den Never Event einer potenziell tödlichen Methotrexat-Überdosierung. Solche Medikationsfehler sind ist in der Vergangenheit auch in unseren Kliniken wiederholt vorgekommen.
Die fallführende Ärztin oder der fallführende Arzt wird im Falle einer gefährlichen Verordnung kontaktiert, um eine sofortige Therapieumstellung vornehmen zu können. An Wochenenden und Feiertagen erfolgt die Kontaktnahme durch die Pharmazieabteilung der diensthabenden Hirslanden-Klinik.
… erhalten im Durchschnitt 10 Medikamente.
Das ergibt 45 möglichen Kombinationen für 1:1-Interaktionen.
… brauchen teilweise heikle Wirkstoffe.
Colchicin, Digoxin, Methotrexat, Phenprocoumon etc.
… sind anfällig für Überdosierungen.
Ca. 1/3 leidet unter Niereninsuffizienz.
Mit der Ausnahme von Stürzen sind medikamentenbezogene Probleme die am häufigsten gemeldeten Probleme im CIRS der Hirslanden AG. Im Durchschnitt werden unseren Patienten auf den Normalstationen 10 verschiedene Medikamente pro Tag verordnet, was 45 möglichen Medikamentenpaaren entspricht. Auf unseren Intensivstationen erhalten die Patienten häufig 20-30 verschiedene Medikamente pro Tag, wobei IPS-Patienten besonders anfällig für unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind.
Bei vielen Medikamenten ändert sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis drastisch, wenn sie mit anderen Medikamenten kombiniert werden. Wird die Dosis nicht an dynamische Veränderungen des Zustands der Patienten (z. B. Nieren- oder Leberfunktionsstörungen) angepasst, und fehlt eine sorgfältige Überwachung auf toxische Nebenwirkungen (z.B. Kardiotoxizität), kann sich das Risiko für schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen weiter erhöhen. Die Folgeschäden treffen unsere Patienten, unser Personal (als «second victim»), unseren Ruf und unseren wirtschaftlichen Erfolg.
Verschreibungsbedingte Medikationsfehler machen zwar nur ca. 25 % aus, sie treten jedoch früh im Medikationsprozess auf, sind vergleichsweise einfach zu analysieren und systematisch vermeidbar. Medikationsfehler durch Pflegekräfte (d.h. Fehler bei der Zubereitung und Verabreichung von Medikamenten), ereignen sich meistens «ausserhalb» der Klinikinformationssysteme und werden separat analysiert und klinikspezifisch angegangen, um entsprechende Präventionsmassnahmen zu ergreifen.
Für eine zuverlässige Vorbeugung von Verschreibungsfehlern benötigen wir hochsensible und ebenso spezifische automatisierte Algorithmen, die ständig überprüfen, ob bei unseren Patienten ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen besteht.
Es braucht aber auch klinische Spezialisten, die den Kontext jedes einzelnen Risikopatienten umfassend beurteilen, bevor sie dem Verordner eine pragmatische Lösung anbieten. Nur eine sorgfältige Analyse der realen Daten aus Klinikinformationssystemen und die anschließende Entwicklung validierter Lösungen für spezifische Fehler wird zu einer hohen Akzeptanz bei der Ärzteschaft führen, ohne dass «alert fatigue» entsteht. Durch die Priorisierung von Medikationsfehlern nach ihrer klinischen Relevanz und die Kombination von maschinengestützten Algorithmen mit klinischem Fachwissen streben wir eine effiziente, effektive und gut akzeptierte Prävention der häufigsten schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen an. Dieses, von Prof. Russmann entwickelte Konzept der «interventionellen Pharmakoepidemiologie» hat sich auch in anderen Spitälern der Schweiz bewährt.
Unseren Patient*innen müssen oft eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen.
In unseren Datenbanken suchen wir nach besonders kritischen Wirkstoffen und gleichen diese ggf. mit weiteren klinischen Informationen, z.B. Laborwerten, ab.
Täglich prüfen unsere Drug Safety Champions – in der Regel Pharmazeut*innen – diese Daten auf Medikationsfehler, z.B. auf Überdosierungen oder Arzneimittelinteraktionen.
Liegt eine eindeutig unvorteilhafte Verordnung vor, wird die Ärzteschaft darüber informiert und ein entsprechender Vorschlag für eine Anpassung gemacht.
Dies verhindert schwere Medikationsfehler und schützt unsere Patient*innen vor vermeidbaren Nebenwirkungen. Dadurch werden zudem Kosten reduziert, das klinischen Ergebnis verbessert und auch unsere Mitarbeitenden sind vor den Folgen schwerer Medikationsfehler geschützt und dadurch zufriedener.
Die tägliche Verabreichung von Methotrexat ist ein «never event» und gehört zu den schlimmsten Medikationsfehlern überhaupt. In den Weiterführenden Informationen ist eine aktuelle Schweizer Studie dazu verlinkt. Auch werden dort Informationen zu Methotrexat-Überdosierungen von der Swissmedic und der Stiftung Patientensicherheit sowie ein Bericht aus Sicht des verursachenden Arztes angeboten. Zudem stellen wir ein Video mit einem Fallbeispiel aus einer unserer Kliniken zur Verfügung.
Überprüfungsalgorithmus in Vorbereitung.
Überprüfungsalgorithmus in Vorbereitung.
Unsere Constant Drug Safety Strategie wird in enger Zusammenarbeit zwischen Expert*innen in unseren Kliniken und im Corporate Office ausgerollt und weiterentwickelt. Nur ein interprofessionelles «together we care» ermöglicht es, effizient und effektiv die schlimmsten Medikationsfehler zu verhindern. Dabei stehen die lokalen Drug-Safety Champions als erste und wichtigste Ansprechpersonen im Klinikalltag im Mittelpunkt.