Patientenzeitschrift "Forum"

Die Sehnenkappe über dem Oberarmkopf der inneren Schultermuskulatur (Rotatorenmanschette) wird durch 4 Sehnen gebildet, die am Oberarmkopf fixiert sind. Diese sind mit Muskeln verbunden, sodass der Zug der Muskulatur die Schulter in alle Richtungen bewegen kann.

  • Arm seitlich anheben: obere Sehne – Supraspinatussehne
  • Aussenrotation: hintere Sehnen – Infraspinatus- und Teres minor-Sehne
  • Innenrotation und Rückführung des Armes: vordere Sehne – Subscapularissehne (zieht die Schulter nach innen und hinten)

Die Rotatorenmanschettenruptur ist das häufigste Problem der Schulter.

Ursachen der Rotatorenmanschettenruptur

Man unterscheidet zwischen:

  • Rupturen an Sehnen ohne Vorschädigung durch ein starkes Unfallereignis zum Beispiel durch einen Sturz auf den Arm oder die Schulter (traumatische Rupturen)
  • Rupturen von Sehnen, die eine abnützungsbedingte Vorschädigung haben (degenerative Rupturen). Bei den degenerativen Rupturen braucht es kein oder nur ein geringes Unfallereignis. Es sind anfänglich nur Mikrorisse in den Sehnen vorhanden, die langsam grösser werden. Oft führt dann ein harmloses Trauma zu einer Vollruptur der Sehne. Am häufigsten reisst die Supraspinatussehne.

Bei allen Rupturarten wird die Sehne vom Knochen abgerissen und kann sich mit der Zeit zurückziehen. Eine spontane Heilung der Sehne ist in der Regel nicht möglich. Der mit der Sehne verbundene Muskel (Motor) bildet sich zurück und kann sich später in Bindegewebe umwandeln. Dieser Umwandlungsprozess ist nicht mehr rückgängig zu machen.

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Abb. 1
Rotatorenmanschetten- Muskulatur
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Abb. 2
Sehnenabriss
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Abb. 3
Schulterfixation

Beschwerden

Kleine Sehnenrupturen (Teilrupturen) können nur mit Schmerzen und geringer Funktionseinbusse einhergehen und werden oft unterschätzt. Oft sucht der Patient erst verspätet den Arzt auf. Grössere Sehnenrupturen führen zu einem deutlichen Kraftverlust und einer Einbusse der Beweglichkeit. Nachtschmerzen sind häufig sowohl bei kleinen als auch bei grossen Rupturen vorhanden. Reisst die obere Sehne (Supraspinatussehne), so ist die Kraft für die Seitwärtsbewegung vermindert, bei der vorderen Sehne (Subscapularissehne) ist die Kraft für die Bewegung nach innen und hinten eingeschränkt und bei der hinteren Sehne (Infraspinatussehne) die Aussendrehung.

Diagnose

Die Diagnose stellt der Arzt mit der klinischen Untersuchung und mittels MRI (Magnetresonanzuntersuchung), die zur exakten Diagnose unerlässlich ist.

Behandlung ohne Operation

Teilrupturen der Sehnen können in gewissen Fällen ohne Operation behandelt werden. Wann der Teilriss aber in einen Vollriss übergeht, kann nicht vorausgesagt werden. Bei sehr betagten Patienten oder Patienten mit nur geringen Beschwerden können auch Vollrupturen der Sehnen ohne Operation belassen werden. Die Behandlung beinhaltet eine regelmässige Physiotherapie als Aufbautraining der äusseren Muskulatur und zum Erlernen von Techniken, den Alltag trotz eingeschränkter Muskelfunktion zu meistern. Mit Schmerzmedikamenten und eventuell einer Kortison-Spritze unter das Schulterdach kann die störende begleitende Entzündung gebremst werden, vor allem wenn ein ausgeprägter Nachtschmerz vorhanden ist. Auch Kryotherapie (Kältetherapie) ist oft hilfreich.

Frische, vollständige Sehnenrupturen sollten möglichst früh genäht werden, damit die Wiedergewinnung der Kraft möglichst gross ist. Die Operation kann entweder arthroskopisch oder mit einem zusätzlichen Schnitt, also offen, geschehen. Bei diesen Verfahren wird als Erstes eine Arthroskopie der Schulter mit Sicherung der Diagnose durchgeführt. Während dieser Arthroskopie entscheidet der Arzt, ob er die Naht der Sehnen arthroskopisch oder mit einem Schnitt (offene Technik) durchführt. Dies geschieht nach Möglichkeit im Verlauf derselben Operation. Während der Operation wird meistens der enge Raum unter dem Schulterdach erweitert (Acromioplastik). Zusätzlich muss oft das sogenannte Schultereckgelenk (AC-Gelenk) gereinigt werden (AC-Gelenksresektion).

Nachbehandlung

Die Art der Nachbehandlung hängt von der Grösse der Ruptur und der Lokalisation ab: Kleine Rupturen oder Rupturen der vorderen Sehne (Subscapularissehne) können mit einer Schlinge behandelt werden. Grosse Rupturen müssen oft auf einem Kissen oder sogar einer Schiene während einer Dauer von mindestens 6 Wochen immobilisiert werden. Während dieser Zeit darf die Schulter im Rahmen des Erlaubten (was vom Operateur individuell festgehalten wird) bewegt werden. Da die Sehnen sehr lange brauchen, bis sie vollständig eingewachsen sind, ist das Tragen von Gewichten frühestens nach 3 – 4 Monaten erlaubt. Somit wird ein Wiederausriss der Sehnen verhindert.

Alte, meistens degenerative Sehnenrupturen können oft nicht mehr vollständig repariert werden, insbesondere bei erheblicher Retraktion (Rückzug der Sehnen) und Umwandlung des Muskels in Bindegewebe (Verfettung der Muskulatur). In diesen Fällen ist oft nur noch eine Teilreparation möglich.

Bei sogenannten Rotatorenmanschettenmassenrupturen (Ruptur fast aller Sehnen) ist keine Reparatur mehr möglich. Es stehen hier verschiedene Operationsverfahren zur Verfügung:

Die arthroskopische Gelenksreinigung (genannt Gelenksdébridement):

Hier wird eine Reinigung mit der Gelenkspiegelung, respektive in der Knopflochtechnik durchgeführt, was eine sofortige Bewegungsfähigkeit der Schulter nach der Operation erlaubt.

Die Muskelersatzplastik

Dabei werden eine gesunde Sehne bzw. ein Muskel als Ersatz nach oben gezogen. Für eine nicht reparable vordere Sehne (Subscapularissehne) wird ein Teil des Brustmuskels (Pectoralis major transfer) verwendet. Ist die obere Sehne (Supraspinatussehne) nicht mehr reparabel, so wird der lange Rückenmuskel verwendet (Latissimus dorsi transfer).

Umkehrprothese

In seltenen Fällen muss bei Sehnenrupturen mit gleichzeitiger Zerstörung des Gelenkes (Arthrose) eine sogenannte Umkehrprothese der Schulter eingesetzt werden, welche eine Sonderform eines künstlichen Schultergelenks ist. Diese Umkehrprothese, auch inverse Schulterprothese genannt, benützt den äusseren Muskel (Musculus deltoideus), der noch intakt ist, als Motor. Durch den verschobenen Drehpunkt des Gelenkes entsteht ein längerer Hebelarm, und der äussere Muskel ist in der Regel stark genug, um das Schultergelenk zu bewegen.