Laparoskopische Chirurgie zur Therapie von Lebertumoren
PDF | 971.46 KB
«Schlüsselloch-Chirurgie» und «Fast Track» (Schnellverfahren) eröffnen der Leberchirurgie neue Möglichkeiten.
Leberchirurgie ist ein Spezialgebiet innerhalb der Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie). Leberchirurgische Operationen gehören zur grossen Bauchchirurgie und setzen ein ausgewiesenes Team mit breiter Erfahrung in Chirurgie und Anästhesie sowie eine Intensivpflegestation und qualifiziertes Pflegepersonal voraus, damit eine optimale Behandlung und Betreuung gewährleistet ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können heute grössere Leberteilentfernungen auch bei älteren und medizinisch vorbelasteten Patienten mit vertretbarem Risiko durchgeführt werden. Geplante Lebereingriffe sind wegen gutartiger oder bösartiger Lebergeschwülste (Tumoren) nötig. Die meisten gutartigen Lebertumoren müssen nur selten entfernt werden; zum Beispiel, weil sie so gross werden, dass sie auf andere Bauchorgane drücken und dadurch Beschwerden verursachen. Der weitaus häufigste Grund für Eingriffe an der Leber sind jedoch bösartige Tumoren. Hier gibt es zwei Formen zu unterscheiden: Erstens Neubildungen aus Leberzellen (sogenannter Leberkrebs) oder aus in der Leber liegenden Gallengangszellen (Gallengangskrebs). Zweitens Tochtergeschwülste (auch Ableger oder Metastasen genannt) in der Leber von diversen Krebsarten (Magen, Bauchspeicheldrüse, Brust, Prostata, Lunge, Gebärmutter und andere). Weitaus am häufigsten sind Ableger des Dickdarm- und Mastdarmkrebses. Diese Krebsform steht an zweiter Stelle in der schweizerischen Krebsstatistik mit jährlich über 4000 neu erkrankten Männern und Frauen. Etwa die Hälfte dieser Patienten bildet während ihrer Erkrankung Ableger in der Leber aus. So erfolgen etwa drei Viertel aller Leberoperationen wegen Tochtergeschwülsten, ausgelöst vor allem durch Darmkrebs. Die einzige Chance einer Heilung liegt in der Operation, d. h. in der Entfernung dieser Ableger. Aktuell kann bei bis zu 60 % der operierten Patienten eine Überlebenszeit von 5 Jahren erreicht werden. Dies bedeutet gegenüber früheren Jahrzehnten eine enorme Verbesserung, denn Leberableger führen unbehandelt über kurz oder lang zum Tode.
Die laparoskopische Chirurgie (auch «Schlüsselloch-Chirurgie» oder minimalinvasive Bauchchirurgie genannt) hat in den letzten 20 Jahren bei vielen Eingriffen die offenen Verfahren ergänzt oder sogar ersetzt. Bei der Laparoskopie werden unter Narkose kleine, röhrenförmige Instrumente, sogenannte Trokare, durch die Bauchdecke eingesetzt und der Bauchraum mit einem Gas aufgeblasen. Durch einen Trokar wird eine Minikamera (sog. Laparoskop) eingeführt. So kann der Bauchraum eingesehen und der geplante Eingriff über zusätzliche Trokare mit Hilfe von langen Arbeitsinstrumenten durchgeführt werden. Viele grössere Eingriffe im Bauchraum werden bereits heute vollständig laparoskopisch vorgenommen. Kleinere bis mittlere Leberteilentfernungen werden ebenfalls seit Jahren durchgeführt, jedoch sind die Zahlen, verglichen mit den offenen Lebereingriffen via Bauchschnitt, noch tief. Die laparoskopische Leberchirurgie ist sehr anspruchsvoll und setzt gute Kenntnisse in der offenen Leberchirurgie sowie umfangreiche Erfahrung in laparoskopischer Chirurgie voraus. Mit den aktuellen chirurgischen Fortschritten und der technischen Weiterentwicklung zeichnet sich ein ähnliches Bild ab wie bei Eingriffen am Dickdarm, die an vielen Zentren, so auch bei uns, wenn immer möglich laparoskopisch erfolgen. Die Zahlen von anspruchsvollen laparoskopischen Leberresektionen nehmen weltweit stetig zu, beschränken sich aber auf spezialisierte Kliniken.
Bei einem 69-jährigen Mann wurde vor 9 Monaten ein Mastdarmkrebs vollständig und komplikationslos entfernt. Wie üblich erfolgten regelmässige Nachkontrollen, wobei leider nach neun Monaten drei Ableger in der Leber entdeckt wurden. Nun wird geplant, die linke Seite der Leber mit zwei Ablegern komplett zu entfernen und auf der anderen Seite den dritten Ableger mit einem Saum von gesundem Lebergewebe zu entfernen. Nach Einsetzen der Rohre wird die Leber mit einem Ultraschallgerät untersucht. Die Spitze dieser speziellen Ultraschallsonde ist in der Bauchhöhle in alle Richtungen beweglich. Mit der Ultraschalluntersuchung können Anzahl, Grösse und Beziehung der Metastasen zu den grossen Lebergefässen identifiziert werden. Anschliessend werden die Ableger mit einem Hochfrequenzgerät, das Lebergewebe durchtrennt und Blutgefässe versiegelt, aus der Leber geschnitten. Die Entfernung der Tumoren gelingt problemlos. Das abgetragene Gewebe wird in einen Kunststoffbeutel gelegt und über einen kleinen Schnitt aus dem Bauchraum entfernt. Der Patient übersteht den Eingriff ohne Probleme und mit minimalem Blutverlust.
Eng mit der laparoskopischen Chirurgie verbunden ist der Begriff «Fast Track» (Schnellverfahren). Die «Fast-Track»-Chirurgie ist eine Kombination von verschiedenen Massnahmen, um die Erholungsphase nach der Operation zu beschleunigen und allgemeine Komplikationen (Beinvenenthrombose, Lungenembolie, Wundinfektionen, Herz-Kreislauf-Komplikationen usw.) zu vermeiden. Dazu gehören: Kurze Hungerphase vor dem Eingriff (Trinken bis 2 Stunden vor dem Eingriff erlaubt), optimale Schmerzbehandlung und sofortige körperliche Aktivierung nach der Operation. Im Weiteren darf der Patient kurz nach der Operation wieder essen und trinken. Die laparoskopische, minimalinvasive Chirurgie ist Teil dieses «Schnellverfahrens», das viele Vorteile bietet, wie weniger Schmerzen nach der Operation, kürzeren Spitalaufenthalt, reduzierten Arbeitsausfall und wegen der kleineren Narben ein besseres kosmetisches Resultat.
Tumorerkrankungen der Leber erfordern eine hoch spezialisierte Therapie. Die Chirurgie bildet einen Teil dieser Behandlung und setzt eine grosse Erfahrung voraus. Grössere laparoskopische Leberteilentfernungen sind sehr anspruchsvoll, nehmen aber an spezialisierten Zentren zahlenmässig mehr und mehr zu und dürften in Zukunft zum Standardrepertoire des Leberchirurgen gehören. Der Patient profitiert so von der bestmöglichen und gleichzeitig schonendsten Therapie.