Bis zu 90 Prozent aller Männer sind im Laufe ihres Lebens mit einem Problem der Prostata konfrontiert. Bei über der Hälfte der Betroffenen besteht ein Handlungsbedarf. Meistens liegt eine gutartige Prostatavergrösserung vor. Nicht selten tritt aber auch Prostatakrebs auf. Er ist mit jährlich über 6000 diagnostizierten Fällen in der Schweiz die häufigste bösartige Erkrankung das Mannes. Seine Behandlung hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und erfolgt heute interdisziplinär. Eine grosse Hoffnung liegt in medikamentösen Therapien im Zusammenspiel mit der genetischen Diagnostik.

Bei der Prostata handelt es sich um eine Drüse, die zur Verflüssigung des Samensekrets dient. Im Laufe des Lebens kann das Volumen der Prostata stark zunehmen, was zu Beschwerden beim Wasserlassen führt. Ebenso kann sich die Prostata aber auch bösartig verändern, wobei das Erkrankungsrisiko für Prostatakrebs ab dem 50. Altersjahr kontinuierlich ansteigt. Somit kann ab diesem Zeitpunkt die Vorsorgeuntersuchung mit dem Hausarzt besprochen werden. Bei familiärer Belastung empfiehlt sich der Beginn der Vorsorge bereits mit 40 Jahren.

Bestimmung des PSA-Wertes

Die Vorsorgeuntersuchung beruht auf der Bestimmung des PSA-Wertes und einer rektalen Abtastung. Das Prostataspezifische Antigen (PSA) ist ein von der Prostata abgegebenes Eiweiss, dessen Wert in einem Bluttest ermittelt wird. Hierbei handelt es sich um eine einfache, kostengünstige und wenig belastende Massnahme. Ein erhöhter PSA-Wert kann auf Prostatakrebs hindeuten, er kann aber auch viele andere Ursachen haben, etwa eine gutartige Prostatavergrösserung. Der PSA-Wert sollte intelligent eingesetzt werden, d.h. er ist in Zusammenhang zu bringen mit der Prostatagrösse, der MRI-Diagnostik und der familiären Belastung für Prostatakrebs. Eine Überdiagnostik und Übertherapie wird dadurch verhindert.

Bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom, sei es durch das rektale Tasten oder eine kontinuierliche Erhöhung des PSA-Wertes, sollte vor jeder weiteren Diagnostik ein multimodales MRI durchgeführt werden. Das ist ein Bildgebungsverfahren, das neben der Anatomie auch funktionelle Gewebeeigenschaften wie z. B. die Durchblutung zeigt.

MRI-Ultraschall-Fusionierte Biopsie

Nur wenn im multimodalen MRI ein auffälliger Herd nachgewiesen wird, erfolgt die Biopsie (Gewebeentnahme). Durch diese gezielte Diagnostik werden heute bis zu 51 Prozent unnötiger Prostatabiopsien verhindert. Ist eine Biopsie erforderlich, erfolgt sie als MRI-Ultraschallfusionierte Biopsie. Dabei werden die MRI-Bilder zur hochpräzisen Gewebeentnahme direkt mit den Ultraschallbildern fusioniert. Eine blinde Biopsie ohne Fusion und ohne Bildgebung sollte unbedingt vermieden werden.

Therapien bei der gutartigen Prostatavergrösserung

In erster Linie empfiehlt sich, bei den geplagten Patienten eine medikamentöse Therapie einzuleiten. Hier stehen verschiedene Präparate zur Verfügung. Einige reduzieren den Blasenauslass, indem sie entspannend wirken, andere verkleinern direkt die Prostata. Treten keine Nebenwirkungen auf, können diese Medikamente lebenslang eingenommen werden. Sollte der Leidensdruck gross sein und auch unter Medikamenteneinnahme fortbestehen, stehen verschiedene moderne operative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Dazu gehören der Verschluss der Prostataarterien durch kleinste Kunststoffpartikel (Embolisation); die Rezum- Wasserdampftherapie, bei der Prostatagewebe durch Hitze zum Absterben gebracht wird, und die Ausschälung der Prostata durch die Harnröhre mittels Elektroschlinge (transurethrale Resektion) oder mittels Holmium-Laser (HoLEP). Bei einer stark vergrösserten Prostata von über 130 Gramm erfolgt die Entfernung des inneren Prostatagewebes mit dem Da Vinci Robotersystem (Prostataenukleation). Einige dieser Verfahren wurden früher offen durchgeführt. Das ist heute nicht mehr nötig. Durch die technische Entwicklung sind alle Verfahren minimalinvasiv mit geringem Blutverlust und kurzen Spitalaufenthalten möglich.

Therapien bei Prostatakrebs

Die Behandlungsoptionen beim lokalisierten, d.h. nicht metastasierten Prostatakrebs richten sich nach dem Risiko des Tumors. Um eine Risikoeinschätzung vorzunehmen, werden heute verschiedene Faktoren herangezogen. Dazu gehören der PSA-Wert, die in der Gewebeuntersuchung ermittelte Aggressivität des Tumors (Pathologie) und das in der bildgebenden Untersuchung erkennbare Stadium (MRI und seit kurzem auch PSMA PET/CT). Neu stehen für die Risikoabschätzung auch genetische Tests zur Verfügung (vgl. Interview). Anhand dieser Informationen lässt sich ein lokalisierter Prostatakrebs einer von drei Kategorien zuordnen: Niedriges, mittleres und hohes Risiko.

Aktive Überwachung (Active Sureillance) bei Prostatakarzinom in der niedrigen Risikokategorie

Sehr häufig wird bei Patienten ein Prostatakarzinom in einer niedrigen Risikokategorie nachgewiesen. Bei minimaler Ausdehnung und tiefem PSA-Wert kann eine aktive Überwachung begonnen werden. Ziel ist es, dass der Patient bei Zunahme des Volumens und der Aggressivität des Tumors jederzeit noch die gleichen Heilungschancen hat wie bei einer sofortigen Therapie. Es muss also nicht jedes Prostatakarzinom behandelt werden. Vielmehr müssen die aggressiven Karzinome frühzeitig erkannt werden. Es werden unter der aktiven Überwachung regelmässige PSA-Messungen, MRI-Untersuchungen und gegebenenfalls auch Re-Biopsien und genetische Untersuchungen durchgeführt.

Therapien bei Prostatakarzinom in der mittleren und hohen Risikokategorie

Bei mittlerem Risiko ist in der Regel eine Therapie mittels Operation oder Radiotherapie (Strahlentherapie) angezeigt, eventuell kombiniert mit einer kurzzeitigen Hormontherapie. Zu den Operationen zählen die Fokale Therapie (HIFU) und die Radikale Prostataentfernung (Prostatektomie). Bei hohem Risiko wird häufig ein kombiniertes Therapiekonzept angewendet aus Operation, gefolgt von Bestrahlung oder von Bestrahlung kombiniert mit einer Hormontherapie über zwei bis drei Jahre. Eine Hormontherapie besteht darin, das männliche Geschlechtshormon Testosteron zu unterdrücken, da es in vielen Fällen den Prostatatumor wachsen lässt.

Fokale Therapie - HIFU

Bei der HIFU-Therapie (Hoch intensivierter, fokussierter Ultraschall) wird wie bei der punktgenauen Biopsie nur der Prostatakarzinomherd, der im MRI dargestellt wurde, behandelt. Die Prozedur erfolgt minimalinvasiv über den Enddarm und ist unblutig. Das bösartige Gewebe wird auf 90 °C erhitzt und so abgetötet. Die Vorteile dieser Anwendung sind bestechend: Der Eingriff kann jederzeit wiederholt werden, der Spitalaufenthalt beträgt nur ein bis zwei Tage, und es ist mit keinen Langzeitschäden zu rechnen. Es besteht die Hoffnung, dass in den nächsten Monaten diese Methode auch von den Krankenkassen bezahlt wird.

Minimalinvasive, roboterunterstütze radikale Entfernung der Prostata

Dank neusten Operationsverfahren mit dem Da Vinci Robotersystem, welches das Operationsgebiet dreidimensional darstellt und zehnfach vergrössert, kann die Operation mit Erhaltung der Kontinenz und Potenz durchgeführt werden, indem die Erektionsnerven und jene für den Schliessmuskel geschont werden (vgl. Abb. 1). Um ein gutes onkologisches Ergebnis zu erreichen, werden während der Operation Schnellschnittuntersuchungen durchgeführt. Damit lässt sich sicherstellen, dass der Tumor vollständig entfernt wird und die Nervenbündel nur dann mitentfernt oder zum Teil mitentfernt werden, wenn auch hier bösartige Zellen nachgewiesen werden. Die Lebensqualität bleibt nach diesem Eingriff erhalten.

da-vinci-roboter
Abb. 1: Das Da Vinci Robotersystem ermöglicht
es, schonend an Stellen zu operieren, die ein
äusserst präzises Vorgehen erfordern – bei
der Entfernung des inneren Prostatagewebes
genauso wie bei der radikalen Prostataentfernung.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Angesichts der vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten wird die fachübergreifende Zusammenarbeit immer wichtiger. Aus diesem Grund sind die grossen Zentren heute von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert, um nach genauen Richtlinien und interdisziplinär im Team für den Patienten da zu sein. So kann individuell für jeden Patienten der richtige Weg in der Diagnostik und der Therapie gefunden werden. Das Behandlungsziel ist neben der Heilung der Erhalt der Lebensqualität, wozu wesentlich die intakte Kontinenz und Potenz zählen.

Interview mit PD Dr. med. Aurelius Omlin und Dr. med. Stephan Bauer

GIBT ES EINE ENTWICKLUNG IN RICHTUNG PERSONALISIERTE MEDIZIN BEIM LOKALISIERTEN, D.H. NICHT METASTASIERTEN PROSTATAKREBS?

Wie im nebenstehenden Artikel beschrieben, kombiniert die moderne Behandlung von Prostatakrebs die Kompetenzen verschiedener Spezialisten – in der Diagnostik wie in der Therapie. Dazu gehören Radiologen, Nuklearmediziner, Pathologen, Radioonkologen, Urologen, Onkologen und Psychoonkologen. Kern ihrer Zusammenarbeit bildet das wöchentliche Tumorboard. Dort beurteilen sie jeden Patientenfall individuell und legen gemeinsam die Therapieoptionen fest. Mit dem Patienten werden diese dann besprochen, um gemeinsam mit ihm die für ihn bestmögliche Therapie zu wählen. In diesem Sinne ist das bereits eine personalisierte Medizin. Die Prozeduren sind in einem umfassenden Patientenpfad abgebildet, wodurch alle Entscheidungen jederzeit nachvollziehbar sind.

GIBT ES FORTSCHRITTE IN DER GENETISCHEN DIAGNOSTIK, WODURCH EINE THERAPIE NOCH STÄRKER PERSONALISIERT WERDEN KANN?

In der Tat sind in den letzten fünf Jahren grosse Fortschritte in der Diagnostik zu verzeichnen. Es ist heute möglich, das Prostatakrebsgewebe danach zu untersuchen, welche Gene speziell aktiviert sind und damit das Krebswachstum fördern bzw. welche Gene unterdrückt sind und in der Regel das Krebswachstum hemmen. Verwendet wird hierzu Prostatakrebsgewebe, das bei der Biopsie entnommen wurde. An einer geringen Menge wird dann die mRNA von 20 bis 30 Genen untersucht. Fachtechnisch nennt man das Gen-Expressionsprofil. Wenn zusätzlich zu PSA, Pathologie und Bildgebung das individuelle Gen-Expressionsprofil untersucht wird, ist eine genauere Zuordnung der Prostatakrebserkrankung in eine Risikokategorie möglich. Drei solcher Tests sind in der Entwicklung weit fortgeschritten: Decipher®, Prolaris ® und Oncotype Dx Prostate®. Wir rechnen damit, dass einer oder mehrere dieser Tests noch in diesem Jahr in der Schweiz verfügbar sein werden.

WELCHE KONKRETE KONSEQUENZ KANN AUS EINEM GEN-EXPRESSIONSPROFIL ABGELEITET WERDEN?

Wichtig ist zunächst zu betonen, dass die erwähnten Tests nie isoliert betrachtet für eine Therapieentscheidung ausschlaggebend sein sollten. Am Tumorboard und auch in der Sprechstunde haben wir z.B. häufig die Situation, dass ein Patient für seinen Prostatakrebs gerne die Strategie einer aktiven Überwachung verfolgen würde, aber der PSA-Wert eigentlich zu hoch ist oder eine Überwachung aufgrund der in der Biopsie festgestellten Aggressivität des Tumors nicht empfohlen werden kann. Hier kann das Tumorgen-Expressionsprofil möglicherweise helfen, denn wenn sich hier ein Resultat zeigt, das vereinbar ist mit einer wenig aggressiven Prostatakrebserkrankung, dann kann diese Information entscheidend sein für die Strategie einer aktiven Überwachung. Sollten sich in der Untersuchung umgekehrt Hinweise auf eine aggressivere Erkrankung ergeben, unterstützt dies den Entscheid für eine Therapie (Operation oder Radiotherapie).

WELCHE ROLLE SPIELT DIE GENETISCHE DIAGNOSTIK IM WEITEREN VERLAUF DER BEHANDLUN G?

Eine wichtige Frage stellt sich am Tumorboard häufig nach einer Prostataentfernung. Wenn sich in der Aufarbeitung durch die Pathologie zeigt, dass der Krebs an einer oder mehreren Stellen bis zum Operationsrand reicht oder die Prostata-Kapsel bereits durchbrochen hat oder wenn Krebszellen in den Lymphknoten im Becken gefunden werden, kann eine postoperative Strahlentherapie angezeigt sein. Alternativ kann zugewartet werden und eine Strahlentherapie erst dann zum Einsatz kommen, wenn der PSA-Wert wieder steigt. Auch hier kann in Zukunft das Genexpressionsprofil hilfreich sein, um eine aggressive Erkrankung, die von einer direkten postoperativen Strahlentherapie profitiert, zu unterscheiden von einer weniger aggressiven Prostatakrebserkrankung, bei der vorerst nur der PSA-Verlauf beobachtet wird.

WANN KOMMT BEI PROSTATAKREBS EINE IMMUNTHERAPIE ZUM EINSATZ?

Beim lokalisierten Prostatakrebs spielt die Immuntherapie aktuell keine Rolle. Bei fortgeschrittenen Stadien, wo der Prostatakrebs Ableger (Metastasen) gebildet hat, gibt es heute jedoch die Möglichkeit, Immuntherapien einzusetzen. Das ist dann der Fall, wenn die genetische Untersuchung am Tumorgewebe zeigt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Ansprechen auf eine Immuntherapie besteht. Hier werden nicht Gen-Expressionsprofile ermittelt, sondern es wird nach defekten DNA-Reparaturproteinen gesucht, die mit Veränderungen kurzer, repetitiver DNA-Abschnitte einhergehen (Mikrosatelliteninstabilität). Tumoren mit solchen Veränderungen sprechen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gut und in der Regel auch langfristig auf eine Immuntherapie an. Leider finden wir aktuell nur in drei bis fünf Prozent der fortgeschrittenen Prostatakrebsfälle solche genetischen Veränderungen, aber für die betroffenen Patienten ist diese Untersuchung für die Therapie bedeutsam.

ANGESICHTS DER FÜLLE AN DIAGNOSTIK- UND THERAPIEMÖGLICHKEITEN: MACHT MAN NICHT ZU VIEL?

Nein, die Vorsorge, eine frühzeitige und zielgerichtete Diagnostik sowie eine individuelle Therapie machen unser Gesundheitssystem nicht nur wirkungsvoller, sondern auch effizienter. Im Vordergrund sollten indessen nicht ökonomische Überlegungen stehen, sondern die Reduzierung des Leidensdrucks zur Verbesserung der Lebensqualität. Der intelligente Einsatz der verfügbaren Behandlungsoptionen nach klaren Richtlinien und in enger Absprache zwischen dem Hausarzt, den Spezialisten und dem Patienten garantiert die nach heutigem Wissensstand beste Therapie. Mit Blick auf immer mehr ältere Männer und den steigenden Druck auf die Ressourcen im Gesundheitswesen ist das eine hoffnungsvolle Perspektive.

Zentrum für Urologie Zürich – Klinik Im Park
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Glossar

PSMA PET/CT: seit 2019 zugelassenes, bildgebendes Verfahren bei Prostatakrebs. Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die gleichzeitige Computertomographie (CT) machen das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) sichtbar, das auf Prostatakrebszellen vorkommt.

Regina Gerdes
Regina Gerdes
Leiterin Marketing & Kommunikation
Klinik Hirslanden