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Im Brustkrebsmonat Oktober haben Gesundheitsorganisationen für die Früherkennung sensibilisiert. Jasmina Vekic ist für die Patientinnen da, wenn sich ein Tumor als bösartig herausstellt.

Breast Care Nurse Jasmina Vekic - Brustzentrum Bern Biel
Text: Mengia Spahr, Bieler Tagblatt / Bild: Rabih Haj-Hassan

Jasmina Vekic ist eine Breast Care Nurse, also eine auf Brustkrebs spezialisierte Pflegefachfrau. Sie steht Brustkrebspatientinnen und -patienten sowie deren Angehörigen zur Seite, ist die Ansprechperson für fachliche und emotionale Fragen. Innerhalb des Brustzentrums kommt ihr eine spezielle Rolle im direkte Kontakt zu den Patientinnen sowie in der Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen zu. Sie bietet Sprechstunden an, telefoniert mit den Betroffenen, besucht sie nach der Operation und verfolgt die Besprechungen der Onkologinnen, Radio-Onkologen, Gynäkologinnen und Pathologen mit. Sie ist eine Vermittlerin, nimmt sich zurück.

Jasmina Vekic, weshalb liessen Sie sich zur Breast Care Nurse ausbilden?

Ich habe schon mehrere Weiterbildungen gemacht, in der Palliativpflege und in Sterbebegleitung. Dann machte ich ein Nachdiplomstudium in der Onkologie. Dieses hatte ich angefangen, weil eine junge Frau in meinem privaten Umfeld an Brustkrebs erkrankt war. Es faszinierte mich, wie gut die Heilungschancen heute sind und wie viele Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Als ich dann das Inserat gesehen habe, dass die Klinik Linde eine Breast Care Nurse sucht, habe ich mich beworben und die Ausbildung begonnen.

Mit welchen Anliegen wenden sich die Patientinnen an Sie?

Sie fragen zum Beispiel, ob sie alles, was der Arzt gesagt hat, richtig verstanden haben. Oft tauchen ja nach dem Gespräch Fragen auf. Ich habe viel Zeit für die Patientinnen. Und ich biete auch psychologische Unterstützungen, wobei da unsere Grenzen bald mal erreicht sind. Breast Care Nurses haben keine psychologische Ausbildung. Deshalb arbeiten wir mit dem psycho-onkologischen Dienst zusammen.

Was ist denn Ihr Zuständigkeitsbereich?

Ich bin wie ein roter Faden durch die ganze Therapie und darüber hinaus. Ich gebe den Patientinnen in meinen Worten wieder, was der Arzt bei der Erstkonsultation erzählt hat. Wir schauen beispielsweise nochmals den Unterschied zwischen Chemo-, Radio- und Antihormontherapie an oder besprechen Unsicherheiten bezüglich der Nebenwirkungen und Spätfolgen von Therapien. Aber ich bin auch für alltägliche Fragen da, sage, an wen man sich wenden kann, wenn man die Kinderbetreuung organisieren muss oder finanzielle Schwierigkeiten hat. Häufig fragen Patientinnen ausserdem, was sie für die Operation mitnehmen müssen. Das sind praktische Dinge, die sie in der aktuellen Situation vielleicht überfordern.

Und? Was muss man zur Operation mitnehmen?

Wichtig ist ein BH ohne Bügel. Das empfehlen wir, weil der BH die Brustform erhält. Gleichzeitig ist da der positive Effekt, dass es eine Kompression auf das Wundgebiet gibt. So können Blutungen und andere Komplikationen reduziert werden. Auch sagen wir den Patientinnen und Patienten, dass sie weite Kleidung mitnehmen sollen, die sich einfach anziehen lässt. Denn sie dürfen nach einer Operation den Arm nicht höher als 90 Grad heben.

Sie sprechen auch von Patienten. Jährlich erkranken schweizweit circa 50 Männer an Brustkrebs, gegenüber 6300 Frauen. Haben diese andere Anliegen als Frauen?

Ich nehme wahr, dass Männer ein möglicher Verlust der Brust weniger beschäftigt als Frauen, bei denen sich dadurch das Körperbild offensichtlicher verändert. Aber auch Männer brauchen und schätzen die Beratung und Betreuung. Sie sind froh, wenn sie Fragen stellen dürfen und wenn ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Nur manchmal ist ihnen die Brustkrebswelt etwas gar zu rosa.

Gibt es etwas, was den Betroffenen besonders Angst macht?

Die Ungewissheit und das Warten. Das Warten auf eine Diagnose, das Warten auf die nächste Therapie. Immer dieses Warten. Das ist sehr belastend. Die Patientin darf sich jederzeit bei mir melden, manchmal hilft es schon, wenn sie reden kann. Schwierig ist, wenn ich um eine Unterstützung bei Entscheidungen gefragt werde. Ich kann und darf keine Entscheidung für die Patientin treffen.

Was machen Sie dann?

Ich lasse sie reflektieren, erstelle mit ihr eine Pro- und Contra-Liste und stelle Fragen, die sie zum Nachdenken anregen, ohne, dass ich meine Einstellung preisgebe. Es ist wichtig, dass die Frau selbst bestimmt, wie viel sie braucht und will. Eine junge Frau beschäftigen Themen wie Fruchtbarkeit, während sich eine ältere Frau vielleicht eher überlegt, ob sie eine Therapie überhaupt noch will.

Krebs kann alle treffen. Sie haben mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu tun.

Ja, ich habe jeden Tag Kontakt zu Leuten mit verschiedenen Religionen und Kulturen. Es ist für mich eine schöne Herausforderung, mich darauf einzulassen, Neues kennenzulernen und mich selbst immer weiterzuentwickeln. Und es kommt viel zurück: sei es auf der emotionalen Ebene oder mit einem Blumenstrauss, einem Praliné. Ich fühle mich extrem gesegnet, dass ich diesen Beruf ausüben kann.

Gehen Ihnen die Schicksale der Patientinnen nahe?

Bei der Arbeit nehme ich sehr fest Anteil an den Schicksalen der Patientinnen. Ich finde, das zeichnet mich auch aus. Wenn ich dann am Abend nach Hause gehe, ziehe ich meine Spitalkleider aus – wie Sie sehen, bin ich ganz in rosa gekleidet – und mit der Kleidung ziehe ich den Tag aus. So grenze ich mich ab. Das habe ich mir antrainiert, auch zu meinem eigenen Schutz. Die Arbeit im Brustzentrum ist sehr emotional. In den privaten Kleidern bin ich wieder als Jasmina unterwegs und stelle meine eigenen Bedürfnisse nach vorne.

Nehmen Sie den Beruf dennoch ein wenig in den privaten Alltag? Versuchen Sie etwa, Ihr Umfeld für Früherkennung zu sensibilisieren?

Ich kläre meine Familie und meine Freunde auf. Nicht sehr offensiv, aber wenn es zur Sprache kommt, erkläre ich. Und ich werde auch häufig gefragt, wie man die Brust richtig abtastet. Gerade neulich haben unsere neuen Lernenden auf der Abteilung nach meiner Funktion gefragt. Dann habe ich ihnen auch erklärt, wieso es so wichtig ist, dass Frauen ihren Zyklus kennen und worum es beim Abtasten geht.

Entwickelt man ein spezielles Verhältnis zu den eigenen Brüsten, wenn man den ganzen Tag mit Brustkrebspatientinnen zu tun hat?

Ich gehe sehr bewusst und achtsam mit meinem Körper um. Ich weiss alles über die Funktion meiner Brust, über ihre Anatomie, Physiologie und die Pathophysiologie, also die möglichen Erkrankungen. Früher tastete ich meine Brust auch regelmässig ab, aber in längeren Abständen. Jetzt gehört das einfach dazu, jeden Monat. Ich mache mir aber nicht so viele Gedanken darüber, ob es mich treffen könnte. Und da ich regelmässig abtaste, könnte ich es gleich abklären lassen, wenn ich etwas finden würde.

Der Brustkrebsmonat Oktober

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in der Schweiz. Zwischen 2014 und 2018 erkrankten gemäss dem Bundesamt für Statistik von 100000 Einwohnerinnen rund 111 an Brustkrebs, das sind durchschnittlich 6314 pro Jahr. Jeweils im Oktober wird auf der ganzen Welt auf die Vorbeugung, Erforschung und Behandlung von Brustkrebs aufmerksam gemacht. Seit 1989 ist in der Schweiz die Zahl der Frauen, die an Brustkrebs sterben, rückläufig. Gemäss der Krebsliga Schweiz ist einer der Hauptgründe dafür die bessere Früherkennung.