Mit einer Darmspiegelung sind oft Angst und Unsicherheit verbunden. Aber kaum eine andere Vorsorgeuntersuchung kann solche Erfolgszahlen aufweisen wie dieser kurze und problemlose Eingriff. Er wird entgegen landläufiger Vorstellungen von praktisch niemandem als «schlimm» empfunden. Und vor allem: Er rettet Leben.

Mein Hausarzt hat mir (m, 53) zu einer Darmspiegelung geraten, weil das ab 50 wichtig sei. Doch der Gedanke daran ist mir höchst unangenehm, ich habe Angst, zudem bin ich gesund und habe keine Darmprobleme. Muss ich das wirklich machen lassen?

Ich verstehe Ihre Gefühlslage sehr gut. Aber da ich seit mehr als 30 Jahren auf diesem Gebiet tätig bin, kann ich Ihnen versichern, dass Sie sich nicht vor einer Darmspiege­lung fürchten müssen. Und die Untersuchung lohnt sich! Darmkrebs ist die zweit­häufigste Krebsart bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern. In der Schweiz erkranken pro Jahr etwa 4800 Menschen neu an Darmkrebs, 1700 versterben im Verlaufe der Erkrankung. Eine Darm­spiegelung kann deren Auftre­ten um zwei Drittel reduzieren und die tumorbedingte Sterbe­rate sogar um 90 Prozent senken. Es gibt kaum eine andere Vorsorgeuntersuchung mit solchen Erfolgszahlen! Wichtig zu wissen: Darm­krebs macht in den ersten Jahren seines Entstehens keine Beschwerden. Erst in einem fortgeschrittenen und dann oft nicht mehr heilbaren Stadium zeigen sich klassische Sympto­me wie Blut im Stuhl, anhal­tende veränderte Stuhlge­wohnheiten, Gewichtsverlust, Leistungsschwäche, Blutarmut (Anämie) und Schmerzen. Doch so weit soll es gar nicht erst kommen. Durch eine Darmspiegelung kann die Krankheit in einem Frühsta­dium erkannt werden, und zu diesem Zeitpunkt ist sie auch noch heilbar. Der Grund: Die meisten Tumore des Dick­darms entwickeln sich aus sogenannten Polypen (gutarti­ge Wucherungen) der Darm­schleimhaut. Da diese Polypen entarten können, werden sie im Rahmen der Darmspiege­lung gleich entfernt. Das ist auch der eigentliche Sinn der Untersuchung.

Das Sterberisiko sinkt auf 0,2 Prozent

Polypen sind bei etwa 20 bis 30 Prozent der über 50-Jähri­gen zu finden. Etwa ein Drittel davon wird ohne Vorsorge an Darmkrebs erkranken, bei familiärer Vorbelastung weit häufiger. Mit der Vorsorge reduziert sich das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, auf zirka 0,6 Prozent, das Sterbe­risiko sinkt auf 0,2 Prozent! Die Spiegelung ist der Goldstandard der Darmkrebs- Vorsorge. Es gibt aber durch­aus noch andere Möglichkeiten der Prävention. Zum einen trägt der persönliche (gesunde) Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, Normalgewicht und viel Bewegung dazu bei.

Stuhltest ist nur bedingt eine Alternative

Weiter gibt es seit den 1970er-Jahren Stuhltests. Sie können im Stuhl verstecktes Blut nachweisen, das durch Poly­pen/Tumoren freigesetzt wird. Lange galten diese Tests als sehr unsicher, mittlerweile haben sie sich deutlich verbes­sert in der Nachweiskraft von Tumoren, etwa durch soge­nannte fäkale DNA-Tests (Mutationsnachweis). Aber nichts bietet dieselbe Sicher­heit wie eine Darmspiegelung. Sie wird – wie von Ihrem Hausarzt bestätigt – in der Regel ab dem 50. Lebensjahr empfohlen und dann je nach Befund in mehrjährigen Ab­ständen wiederholt. Bei geneti­scher bzw. familiärer Belastung mit Darmkrebs sollte eine erste Spiegelung deutlich früher und danach auch häufiger erfolgen. Obwohl im Vorfeld Ängste oder unangenehme Gefühle damit verbunden sein können, verläuft die Untersuchung durch einen erfahrenen Fach­arzt sehr leicht. Der eigentliche Eingriff dauert meist zwischen 15 und 30 Minuten. Er wird in aller Regel ambulant ausge­führt, unmittelbar danach kann man nach Hause gehen. Dem Patienten wird vor der Untersuchung ein leichtes Schlafmittel verabreicht, was dem Arzt ermöglicht, mit dem Koloskop (Durchmesser etwa 1 cm) in alle «Winkel» des Darmes Einblick zu nehmen.

Abführmittel ist leicht einzunehmen

Auch die einst gefürchtete Vorbereitung am Vortag ist heutzutage gut verträglich. Das Abführmittel ist im Vergleich zu früher nicht mehr «gruu­sig». Zusätzlich müssen etwa 3 Liter stilles Wasser getrunken werden, damit der Darm gut ausgespült wird. Ich lade Sie ein, zu uns in die Hirslanden Klinik Aarau zu kommen. Sie werden vom Vorgespräch über die eigent­liche Darmspiegelung bis zum Nachgespräch sicher durch die Behandlung begleitet. Ich bin überzeugt, dass Sie hinterher sagen werden: Es war über­haupt nicht schlimm. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich schon früher gekommen.

Prof. Dr. med. Stephan Teyssen, Facharzt für Gastroenterologie am Institut für Gastroenterologie und interventionelle Endoskopie und Belegarzt an der Hirslanden Klinik Aarau