Eine Ruptur des vorderen Kreuzbands muss nicht zwingend operiert werden. Ob eine konservative Therapie in Frage kommt oder ob eine Operation in Betracht gezogen werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die bei der Anamnese und klinischen Diagnostik geklärt werden. Eine Physiotherapiebegleitung ist bei beiden Varianten zwingend.
Ich (m, 34) habe das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen. Es gibt offenbar verschiedene Therapiemöglichkeiten. Welche wäre für mich ideal?
«Es ist richtig, es gibt unterschiedliche Therapiekonzepte für die Behandlung einer vorderen Kreuzbandverletzung. Um herauszufinden, welche Therapie für Sie die richtige ist, besprechen wir in einem ersten Gespräch den Unfallhergang, was Sie von Beruf sind und welche Sportarten Sie auch in Zukunft ausüben möchten. Damit skizzieren wir die Ansprüche, die Ihr Knie künftig erfüllen muss. Wollen Sie wieder eine Stopp-&-Go Sportart mit schnellen Richtungswechseln ausüben können? Oder muss Ihr Knie beruflich bedingt sehr hohen Stabilitäts-Anforderungen wie etwa bei einem Dachdecker genügen? Entscheidend ist auch, wie stark eine Instabilität, ein allfälliges Wegknicken, Sie in Ihrem Alltag einschränkt. All diese Abklärungen sind entscheidend, um die Therapie individuell auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Denn nicht jede Verletzung muss zwingend operiert werden! Das Ziel der konservativen Therapie ist die funktionelle Stabilität durch die Stärkung der Muskulatur. Bei einer Operation hingegen soll eine strukturelle Stabilität durch den Ersatz des Kreuzbands erreicht werden. Sie dürfen sich für eine vertiefte Abklärung gerne über Ihren Hausarzt, Ihre Hausärztin an das Zentrum für Knie- und Sportmedizin der Hirslanden Klinik Aarau wenden», sagt PD Dr. med. Thomas Rauer, Sportarzt und international zertifizierter Kniechirurg.
Klinische Diagnostik
Nach dem Anamnese-Gespräch kommt der klinischen Untersuchung eine entscheidende Rolle zu. «Ich schaue mir das Knie genau an, um Schwellungen, Hämatome oder Deformitäten zu erkennen», sagt Dr. Rauer. Durch Abtasten werden Schmerzpunkte lokalisiert. Auch die Beweglichkeit des Knies wird geprüft, um Instabilitäten, schmerzhafte Bewegungen und Einschränkungen zu erkennen. Abgerundet wird die Diagnostik mit bildgebenden Verfahren, einem Röntgenbild und einem MRT. Auf Grundlage all dieser Ergebnisse wird dann eine strukturierte und für den einzelnen Patienten individualisierte Therapie festgelegt.
Welche Therapie kommt zum Zug?
Zentraler Pfeiler sowohl der konservativen als auch der operativen Therapie ist eine hochwertige Physiotherapie, um die Beweglichkeit, Kraft und Stabilität des Knies wiederherzustellen. Mit einem strukturierten individualisierten Trainingsplan wird die Muskulatur rund ums Knie gestärkt und damit die Stabilität verbessert. «Äusserst wichtig ist der Austausch zwischen dem Physiotherapeuten und mir, da eine solche Therapie dynamisch verläuft und je nach Situation angepasst werden muss», betont der Sportarzt. Wenn konservative Methoden nicht den gewünschten Erfolg bringen oder wenn es sich etwa um Leistungssportler oder ambitionierte Hobby-Sportler handelt, wird eine Operation in Betracht gezogen. «Ziel ist, so früh als möglich zu operieren. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Reizung und der Bluterguss zurückgebildet haben, das Kniegelenk also wieder «abgekühlt» ist. Für die Behandlung einer vorderen Kreuzbandruptur gibt es unterschiedliche Operationstechniken. «Bei einer kleinen Patientengruppe kann das Band genäht werden, wenn der Riss nahe am Oberschenkelknochen ist. Meist muss jedoch das Band oder ein Teil davon ersetzt werden.» Nach der Operation ist eine Rehabilitation äusserst wichtig, die sich über mehrere Monate erstreckt.
Prävention entscheidend
Zum klassischen Aufwärmen sollte ein sportartspezifisches Präventions-Training durchgeführt werden. Viele Sportverbände haben strukturierte Programme, die dabei helfen, Knieverletzungen vorzubeugen. Studien zeigen, dass hierdurch das Risiko für Knieverletzungen um 30 Prozent, für Kreuzbandrisse um 50 Prozent und für Überlastungsschäden am Knie bis zu 80 Prozent gesenkt werden kann. Vorbeugen ist besser als heilen!