Wenn sie gehäuft auftreten, sollten Erektionsstörungen abgeklärt werden. Ursachen sind in 90 Prozent der Fälle Probleme mit den Blutgefässen, die man erst medikamentös behandelt. Falls die Störungen nicht auf Medikamente ansprechen, wird bei venös bedingten Beschwerden die Vene verklebt. Ist hingegen die Arterie verengt (Vorbote für einen Infarkt), werden Stents gesetzt.
Ich (55) habe seit einigen Wochen Erektionsstörungen, was mich in meinem Sexualleben total hemmt. Kann ich selbst etwas gegen diesen Zustand tun oder sollte ich einen Arzt aufsuchen?
«Eins gleich vorweg: Erektionsstörungen haben nichts mit einem persönlichen Versagen zu tun, sondern sind meist organisch bedingt. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, Erektionsstörungen zu bekommen. Allerdings können auch sehr junge Männer betroffen sein. In
90 Prozent der Fälle sind solche Beschwerden auf arterielle oder venöse Durchblutungsstörungen zurückzuführen. Die anderen 10 Prozent verteilen sich auf Ursachen wie Diabetes, Testosteronmangel oder psychische Probleme. In Ihrem Fall würde ich empfehlen, Ihren Hausarzt, Ihre Hausärztin für eine erste Befundaufnahme aufzusuchen. Für eine vertiefte Abklärung werden Sie dann an einen Urologen überwiesen, der unter anderem den Testosteronspiegel kontrolliert. Danach
wird je nach Ergebnis noch eine Gefässuntersuchung durch den Angiologen durchgeführt. Damit wird geklärt, ob sich allenfalls eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hinter den Erektionsstörungen verbirgt. Mit einem minimal-invasiven Eingriff können diese Beschwerden in den meisten Fällen gänzlich eliminiert werden. Beim Zentrum für Gefässmedizin führen wir jährlich 250 bis 300 solcher minimalinvasiver Operationen durch, was uns von den Zahlen her weltweit führend macht.
Sie dürfen sich nach dem Besuch beim Urologen gerne an uns überweisen lassen», sagt Prof. Dr. med. Nicolas Diehm, Facharzt für Angiologie am Zentrum für Gefässmedizin, das ein offizieller Partner der Hirslanden Klinik Aarau ist.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Mit bildgebenden Verfahren, etwa Ultraschall, können die Blutgefässe sichtbar gemacht werden. Mit speziellen Tests wird dann der Blutfluss untersucht. Diese Ergebnisse bestimmen das weitere Vorgehen. «In etwa 50 Prozent der Fälle helfen Medikamente (beispielsweise Viagra oder Cialis). Allerdings verursachen sie bei einem Viertel der Betroffenen schwere Nebenwirkungen wie beispielsweise Kopfschmerzen», betont Prof. Diehm. Der Vorteil ist hingegen, dass Viagra weder
abhängig noch «geil» macht, wie fälschlicherweise häufig angenommen wird. Der Reiz muss von aussen kommen. Wenn Medikamente nicht mehr wirken, kommen moderne Therapien zum Einsatz. Bei arteriellen Ursachen werden die verengten Blutgefässe mit Stents geöffnet. Sind die Beschwerden venöser Natur, kann der Venenabfluss verklebt werden. «In 80 Prozent der Fälle können die Erektionsstörungen so behoben werden.
Unser Gefässzentrum wird deshalb auch gerne von ausländischen Patienten aufgesucht», sagt der Facharzt. Als allerletzter Schritt könnte eine Penisprothese eingesetzt werden. Und wie immer kann es nicht schaden, sich gesund zu ernähren, sich ausreichend zu bewegen und Beckenbodenübungen zu machen. «Ausdauersport ist sogar erektionsfördernd», sagt Prof. Diehm.
Keine Lifestyle-Medizin
«Bei weitaus mehr als der Hälfte der Männer mit koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Schlaganfall ist es in den 24 Monaten vor dem Ereignis zu wiederkehrenden Erektionsstörungen gekommen. Die Diagnose und Therapie von Erektionsproblemen ist daher keine Lifestyle-Medizin,
sondern eine sinnvolle medizinische Leistung zur Gesundheitsversorgung. Oder mit anderen Worten: Die Untersuchung von Erektionsstörungen kann Leben retten», betont Prof. Diehm. Übrigens: Auch
Frauen können Erektionsstörungen durch eine arterielle Verengung im Bereich der Beckenarterien haben, welche die Scheide versorgen. Dies kann sich in Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder etwa als Scheidentrockenheit bei Frauen in den Wechseljahren zeigen. «Allerdings gibt es dazu noch wenig Wissenschaftliches, ausser dass meist Raucherinnen und Frauen mit Cholesterinproblemen betroffen sind.» Deshalb gilt für alle betroffenen Männer und Frauen: Scham ist fehl am Platz. Bei entsprechenden Beschwerden einen Arzt aufsuchen.
Facharzt für Angiologie
Zentrum für Gefässmedizin
Mittelland