Einschlafende Arme, Kribbeln in den Fingern und Schmerzen in Schulter und Arm können Anzeichen für eine funktionelle Verengung am Übergang vom oberen Brustkorb/Hals in den Arm sein. Anatomische Varianten können dort zu einer mechanischen Reizung des in den Arm führenden Gefäss-Nerven-Bündels mit entsprechenden belastungs- und positionsabhängigen Beschwerden führen.

Nach meiner Arbeit als Coiffeuse habe ich (w., 28 Jahre) oft abends Schmerzen in Schultern und Armen. Häufig schlafen meine Finger ein. Die vom Hausarzt veranlassten Nervenmessungen zeigten keine Auffälligkeiten.

Das Symptom, das Sie beschreiben, kann etwa durch Überanstrengung oder eine funktionelle Enge zwischen Hals und Brustraum entstehen. Beschwerden, die durch eine einmalige Überbelastung hervorgerufen werden, vergehen früher oder später, wenn das betroffene Körperteil geschont wird. Anders sieht dies bei einer funktionellen Enge aus. Blutgefässe und Nerven, die vom Brustraum weiter in den Arm verlaufen, müssen durch eine Öffnung, die dicht belegt ist. Durch Fehlhaltungen, einseitige körperliche Aktivitäten, Dysfunktionen der Muskelketten oder durch eine Halsrippe kann es zu Beschwerden kommen, weil die Öffnung (der Tunnel) zu eng wird. Es kann auch sein, dass die Schlagader wegen zu enger "Platzverhältnisse" richtiggehend abgeknickt wird. Diese Symptome würden dem Krankheitsbild eines Thoracic-Outlet-Syndroms (TOS) oder auch Schulter-Arm-Syndroms entsprechen. Es betrifft in über 70 Prozent junge Frauen zwischen 20 und 40 Jahren.

Mögliche Symptome

Vom Kribbeln über ein Kältegefühl bis hin zum Anschwellen der betroffenen Seite mit Taubheitsgefühl und Schmerzen: Das können mögliche Symptome für das Thoracic-Outlet-Syndrom sein. Ein Kribbeln, das im Schulter- und Halsbereich auftritt und sich dann auf den Arm bis in die Hand ausdehnt, kann durch Druck auf die Nervenbahnen entstehen. Wenn Druck auf die Arterie ausgeübt wird, dann kann es sein, dass der Blutfluss in den Arm beeinträchtigt wird, wodurch dieser blass und kühl wird. Und schlussendlich kann es zu einem Anschwellen der Hand und des Arms auf der betroffenen Seite kommen, wenn Druck auf die Vene ausgeübt wird und es dadurch zu einem Rückstau kommt. Dies zeigt sich durch eine bläuliche Verfärbung der Haut.

Anspruchsvolle Diagnose

Häufig lässt sich ein TOS mit den heutigen diagnostischen Möglichkeiten weder sicher beweisen noch ausschliessen. Vielmehr handelt es sich beim TOS meist um eine Ausschlussdiagnose. D.h., andere mögliche Ursachen der Beschwerden müssen erst ausgeschlossen werden. Daher haben viele junge Menschen, die von diesem Krankheitsbild betroffen sind, eine Odyssee hinter sich: Sie waren bereits bei vielen Spezialisten in Abklärung, ohne dass eine Ursache für ihre Beschwerden gefunden werden konnte. Dies kann eine grosse psychische Belastung für die Betroffenen darstellen.

Mit speziellen Röntgenverfahren kann untersucht werden, ob eine Halsrippe für die Beschwerden verantwortlich sein könnte. Und ob die Schlagader wegen enger Platzverhältnisse abgeknickt wird, kann mit einer entsprechenden Untersuchungsmethode ebenfalls diagnostiziert werden. Linderung können konservative Behandlungsmöglichkeiten wie etwa eine spezielle Physiotherapie und Medikamente bringen. Führen diese nicht zum gewünschten Erfolg, kann auch eine Operation angezeigt sein. Wenn mit einer speziellen neurologischen Messtechnik das TOS diagnostiziert wird, liegen häufig bereits Atrophien – also Muskelschwund mit Funktionseinschränkungen – vor.

Vorreiterrolle und Expertise in Sachen TOS

Als Fachärztin für Chirurgie beschäftige ich mich seit über zehn Jahren intensiv mit dem Thoracic-Outlet-Syndrom. Da ich selbst davon betroffen war, bin ich beinahe zwangsläufig Schritt für Schritt in dieses recht seltene Spezialgebiet hineingewachsen. Seit 2012 arbeite ich mit Prof. Dr. med. Reinhold Stober zusammen, dem schweizweiten Spezialisten auf dem Gebiet des TOS. Dies, nachdem ich selbst von ihm erfolgreich in der Hirslanden Klinik Aarau operiert worden war. Inzwischen habe ich mehrere hundert TOS-Patienten behandelt und führe im TOS-Zentrum Mittelland in Langenthal eine spezielle Sprechstunde durch. Gerne begrüsse ich Sie dort zu einem Termin.

Dr. med. Claudia Bauer
Fachärztin für Chirurgie, speziell für das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS), im Neurozentrum Oberaargau