Eine möglichst rasche und komplikationsfreie Erholung ist das Ziel nach jeder Operation. Das Wissen darüber, welche Faktoren eine gute Genesung begünstigen, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Mit «Hirslanden Motion» setzt die Klinik Hirslanden auf ein Programm, das dieses Wissen bündelt und zur Grundlage von standardisierten Behandlungskonzepten macht. Zentral ist dabei die aktive Mitwirkung der Patientinnen und Patienten sowohl vor als auch nach der Operation. Zu diesem Zweck werden Sie umfassend, aber einfach und verständlich instruiert und erhalten in jeder Phase individuelle Unterstützung.

Vor 20 Jahren dauerte der durchschnittliche Spitalaufenthalt nach einer Hüft- oder einer Knieprothesen-Operation rund 14 Tage. Heute können die meisten Patientinnen und Patienten das Spital 4 bis 6 Tage nach dem Eingriff verlassen. Ermöglicht wurde diese Verkürzung des Spitalaufenthalts vor allem durch modernere Operationsverfahren und eine verbesserte Nachsorge.

Das Potenzial für eine möglichst rasche und komplikationsfreie Genesung nach solchen und weiteren Eingriffen ist damit aber noch nicht ausgeschöpft. Aus diesem Grund hat die Klinik Hirslanden das Programm «Hirslanden Motion» lanciert. Es umfasst die Optimierung sämtlicher Behandlungsschritte vor, während und nach einer Operation. Der Fachausdruck für solche umfassenden Behandlungskonzepte lautet «Enhanced Recovery After Surgery», was sich mit «verbesserte Erholung nach einer Operation» übersetzen lässt.

«Hirslanden Motion»

«Hirslanden Motion» beruht auf der engen und strukturierten Zusammenarbeit aller am Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen. Dazu zählen die Spezialistinnen und Spezialisten der Chirurgie, der Anästhesie, der Physiotherapie und der Pflege. In die Vorbereitung und die Nachsorge eingebunden ist zudem häufig auch die Hausärztin oder der Hausarzt. Was Enhanced-Recovery-Programme wie «Hirslanden Motion» aber vor allem auszeichnet, ist die aktive Rolle, die der Patientin oder dem Patienten selbst zukommt.

«Hirslanden Motion» wurde im Herbst 2023 an der Klinik Hirslanden für Hüft- und Knieprothesen-Operationen sowie für verschiedene Eingriffe an der Wirbelsäule gestartet. Diese Behandlungen zählen zu den häufigsten Operationen an der Klinik. In Zukunft sollen weitere chirurgische Gebiete dazukommen. Im Folgenden wird «Hirslanden Motion» am Beispiel der Implantation von künstlichen Hüft- und Kniegelenken vorgestellt.

Hirslanden Motion

Die Frühmobilisation als Schlüssel zur schnellen Genesung

In Zentrum von «Hirslanden Motion» steht die frühe Mobilisation nach dem Eingriff. «Früh» bedeutet, dass die Patientin oder der Patient bereits zwei bis sechs Stunden nach dem Einsetzen des Kunstgelenks erste Schritte macht – begleitet von einer Fachperson der Physiotherapie und einer der Pflege.

Zu den wichtigsten Vorteilen der Frühmobilisation gehört die Reduktion des Thromboserisikos, indem sie die Durchblutung fördert. Gleichzeitig stimuliert sie das Herz-Kreislauf-System, wirkt dem Muskelabbau entgegen und wirkt sich positiv auf die Schmerzsymptomatik aus. Schliesslich hilft sie auch, Vertrauen in das neue Gelenk zu fassen und das Krankheitsgefühl zu verringern.

All diese Vorteile führen dazu, dass die Patientin oder der Patient schneller in die Lage kommt, die wichtigsten Alltagsbewegungen wieder selbstständig auszuführen. Diese rasch erlangte Selbstständigkeit wiederum erlaubt es, die Patientinnen und Patienten auch zeitnah aus der Klinik zu entlassen – in der Regel bereits nach drei Nächten. Ein bedeutender positiver Nebeneffekt eines so kurzen Spitalaufenthalts liegt darin, dass damit das Risiko einer Spitalinfektion erheblich reduziert wird.

Damit eine Frühmobilisation und damit auch ein kurzer Spitalaufenthalt möglich sind, muss indessen eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt sein. Diese betreffen die Vorbereitung auf die Operation, die Operation selbst und die unmittelbare Nachsorge.

Vorbereitung auf die Operation

Das wichtigste Ziel in der Vorbereitung auf die Operation besteht darin, die Patientin oder den Patienten vor dem Spitaleintritt in einen möglichst guten Gesundheitszustand zu bringen. Dadurch sinkt nicht nur das Komplikationsrisiko, sondern es beschleunigt sich auch die Erholung.

Ein guter Gesundheitszustand erfordert zunächst, dass allfällige Begleiterkrankungen wie beispielsweise Rheuma oder Herzschwäche optimal therapiert werden. Daneben können die Patientinnen und Patienten aber auch selbst einiges tun, um für die Operation möglichst fit zu sein. Dazu gehören – soweit möglich – körperliche Aktivität und physiotherapeutische Übungen, eine ausgewogene, aber eiweissreiche Ernährung, der Nikotinverzicht und eine Alkoholkarenz.

In Gesprächen mit Mitgliedern des Behandlungsteams sowie anhand einer Broschüre und einer App werden die Patientinnen und Patienten darüber ins Bild gesetzt, worin eine optimale Vorbereitung konkret besteht. Zudem werden sie über den gesamten Behandlungsprozess verständlich aufgeklärt: über die Operation und die damit verbundenen Risiken, über die Narkoseverfahren und die Schmerztherapie sowie über die Nachsorge und die Rehabilitation. Zur Theorie kann dabei auch die Praxis hinzukommen, etwa wenn das Gehen an Stöcken oder bestimmte physiotherapeutische Übungen bereits vor der Operation geübt werden.

In der Klinik

Mit Blick auf die angestrebte Frühmobilisation haben die behandelnden Spezialistinnen und Spezialisten für Chirurgie und Anästhesie drei Ziele vor Augen: Erstens soll die Patientin oder der Patient dank einer Teilnarkose (Spinalanästhesie) oder einer gut einstellbaren Vollnarkose nach dem Eingriff so schnell wie möglich wieder richtig wach sein. Zweitens werden verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Blutverlust während der Operation zu minimieren. Drittens wird die Schmerztherapie so gestaltet, dass die Patientin oder der Patient einerseits möglichst geringe Schmerzen hat und andererseits nicht unter Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit leidet.

An die Frühmobilisation am Operationstag schliessen sich an den Folgetagen das Gehtraining und die schrittweise Vorbereitung auf die Selbstständigkeit im Alltag an (vgl. Abb. 1). So üben die Patientinnen und Patienten beispielsweise das Hinsetzen und wieder Aufstehen aus einem Stuhl, das An- und Ausziehen von Kleidern und das Treppensteigen. Daneben erhalten sie Instruktionen für ein physiotherapeutisches Heimprogramm und praktische Ratschläge für den Alltag, etwa zur Sturzprävention.

Klinikaustritt

Für den Austritt aus der Klinik sind im «Hirslanden Motion»-Programm eine Reihe von Kriterien definiert, deren Erfüllung die Patientin oder der Patient gemeinsam mit den Fachpersonen anhand einer Checkliste laufend überprüft. Im Vordergrund steht dabei die Selbstständigkeit bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Toilettengang oder dem Treppensteigen. Dazu kommt das praktische Wissen über die physiotherapeutischen Übungen für daheim, das Wechseln des Wundverbands und die Medikamenteneinnahme.

Das neue Gelenk darf und soll zuhause belastet und bewegt werden. Das aktive Bewegen über den ganzen Tag ist entscheidend, um schnell wieder eine gute Mobilität zu erlangen. Nach einem Kniegelenkersatz wird in der ambulanten Physiotherapie das Spektrum an Bewegungen laufend erweitert. Nach einem Hüftgelenkersatz ist eine ambulante Physiotherapie in der Regel nicht nötig. Hier ist der aktive Alltag, kombiniert mit einem moderaten Ausdauer- und Krafttraining, die beste Therapie.

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Abb. 1: Gehtraining unter fachkundiger Anleitung und Unterstützung

«Oberstes Ziel ist die Reduktion von Komplikationen»

Herr Dr. Inauen, das im nebenstehenden Artikel vorgestellte Programm «Hirslanden Motion» hat zum Ziel, die Erholung nach einer Operation zu verbessern und zu beschleunigen. Welches ist der Kerngedanke, der hinter diesem Programm steht?

Eine gute und rasche Erholung nach einer Operation bedeutet, dass es zu keinen grösseren Komplikationen kommt. Solche unerwünschten Folgen eines Eingriffs können ganz unterschiedlicher Natur sein. Dazu zählen Infektionen, Thrombosen, Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, Wundheilungsstörungen oder Gelenkversteifungen und Muskelschwund, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Reduktion von Komplikationen jeder Art ist daher das oberste Ziel von «Hirslanden Motion».

Warum können solche Komplikationen überhaupt auftreten?

Eine wichtige Ursache von Komplikationen liegt in der Art und Weise, wie der menschliche Körper auf eine Operation reagiert. Aus seiner Sicht handelt es sich bei einem chirurgischen Eingriff um eine Körperverletzung. Er antwortet darauf unter anderem mit der Ausschüttung von Stresshormonen, um sich auf Kampf oder Flucht («Fight or Flight») vorzubereiten. Diese an sich sinnvolle Einrichtung der Natur kann während oder nach einer Operation zum Problem werden. So fahren Stresshormone etwa das Immunsystem herunter, weil es im Moment nicht Priorität zu haben scheint. Das erhöht aber das Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen wie zum Beispiel eine Lungenentzündung. Daneben verstärken Stresshormone die Blutgerinnung und verengen die Gefässe, wodurch das Risiko für Thrombosen steigt. Schliesslich erhöhen sie auch die Herzfrequenz und den Blutdruck und können so das Herz-Kreislauf-System belasten.

Welche weiteren Quellen von Komplikationen gibt es?

Was das Komplikationsrisiko ebenfalls erhöht, sind eine lange Liegedauer und eine späte Mobilisation nach einer Operation. Von besonderer Bedeutung ist auch hier das Thromboserisiko, und zwar aufgrund einer ungenügenden Durchblutung. Dazu kommen die Gefahr von Spitalinfektionen und – gerade bei Operationen am Bewegungsapparat – das Problem des Muskelschwundes. Dieser kann zu einer verzögerten Mobilisation im Verlauf oder aber auch zu einem erhöhten Sturzrisiko führen. Ferner erhöhen auch starke Schmerzen das Komplikationsrisiko, weil sie ebenfalls eine Stressantwort im Körper auslösen.

Wie lassen sich mit «Hirslanden Motion» Komplikationen verhindern oder jedenfalls stark reduzieren?

Als umfassendes Behandlungskonzept bündelt «Hirslanden Motion» eine Vielzahl von Massnahmen, um die Stressantwort des Körpers auf die Operation so gering wie möglich zu halten. Vor der Operation geht es darum, die Patientin oder den Patienten optimal auf den Eingriff vorzubereiten. Dazu gehören beispielsweise die präoperative Entdeckung allfälliger Infektionen, die gute Einstellung eines vorliegenden Diabetes, eine ausreichende Ernährung sowie der Verzicht auf Nikotin und Alkohol.

Darüber hinaus sieht «Hirslanden Motion» vor, dass die Patientin oder der Patient vor einer Operation in Gesprächen sowie anhand einer Broschüre oder einer App verständlich über den gesamten Behandlungsablauf informiert wird. Warum ist das so wichtig?

Das Wissen, was einen in der Klinik genau erwartet, schafft Vertrauen und gibt Sicherheit. So vermag es massgeblich den psychischen Stress zu reduzieren, der ebenfalls zu einer ungünstigen Ausschüttung von Stresshormonen führt. An keinem Punkt der Behandlung passiert etwas, über das die Patientin oder der Patient nicht schon im Bild ist.

Wie lässt sich das Komplikationsrisiko während und nach einer Operation verringern?

Wichtig sind eine möglichst gewebeschonende Operationstechnik und ein geringer Blutverlust. Auch sollte auf Massnahmen verzichtet werden, die nicht unbedingt nötig sind, etwa auf Wunddrainagen oder unnötige Katheter, die immer mit einem Infektionsrisiko verbunden sind. Moderne Narkoseverfahren und Schmerztherapien senken ebenfalls das Komplikationsrisiko. Nach der Operation ist die sehr frühe Mobilisation ein Kernelement von «Hirslanden Motion». Schon im Aufwachraum wird erstmals aufgestanden. Das aktiviert nicht nur den Kreislauf, sondern stärkt auch die psychische Verfassung. Beides ist dem Heilungsverlauf zuträglich und trägt somit dazu bei, dass ein baldiger Spitalaustritt möglich ist.

«Hirslanden Motion» beruht auf einem standardisierten Behandlungspfad. Wo liegen die Vorteile, aber auch die Herausforderungen dieses Ansatzes? 

Vorgegebene, evidenzbasierte Behandlungspfade bedeuten höhere Qualität und Effizienz: Sie stellen sicher, dass nichts untergeht und dass im interprofessionellen Behandlungsteam stets alle vom Gleichen reden – gerade auch im Austausch mit den Patientinnen und Patienten. Eine Herausforderung liegt indessen darin, dass jede Patientin und jeder Patient verschieden ist. Das beginnt schon bei der Aufklärung und Information. So ist etwa eine App nicht jedermanns Sache, oder es bestehen Sprachprobleme. Auch aus medizinischen Gründen kann es angezeigt sein, den Behandlungspfad individuell anzupassen. Neben dem Chirurgen kommt deshalb auch dem Hausarzt eine wichtige Rolle zu. Er kennt den Patienten und dessen Bedürfnisse am besten und übernimmt einen grossen Teil der Vorabklärungen und Vorbehandlungen ebenso wie der Nachsorge.

Dr. med. Cyril Inauen ist Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Interdisziplinäre Schwerpunkte Sportmedizin (SEMS) und Manuelle Medizin (SAMM).

 

SportClinic Zürich
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Glossar

  • Mobilisation: stufenweise Wiederaufnahme von passiven und aktiven Bewegungen
  • Thrombose: Verschluss eines Blutgefässes aufgrund eines Blutgerinnsels (Thrombus)
  • Spinalanästhesie: Methode zur Betäubung von Rückenmarksnerven. Weil damit nur eine bestimmte Körperregion betäubt und das Bewusstsein nicht beeinträchtigt wird, zählt die Spinalanästhesie zu den Regionalanästhesien oder Teilnarkosen.
Regina Gerdes
Regina Gerdes
Leiterin Marketing & Kommunikation
Klinik Hirslanden